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Rezension: Vom Gehorsam zur Freiheit

Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und, ganz gewiss an jedem Tag." (Dietrich Bonhoeffer)

Der Theologe und Publizist Ferdinand Schlingensiepen hat einige der Persönlichkeiten aus dem Widerstand gegen Hitler und sein totalitäres Regime persönlich gekannt.

Dieser Autor zeigt in den sechs Kurzbiografien, in welcher Weise mutige Menschen Widerstand gegen das NS- Regime leisteten. Porträtiert werden Sophie Scholl, Adam von Trott zu Solz, Helmuth James Graf von Moltke, Harald Pölchau, George Bell, Dietrich Bonhoeffer

Wie der Theologe festhält, gibt es bei diesen Persönlichkeiten trotz unterschiedlicher Motivation, unterschiedlichem Denken und auch unterschiedlicher Vorgehensweise eine Gemeinsamkeit und diese beruht in einer christlichen Grundorientierung, die sich in tief empfundener Nächstenliebe offenbart.

Es ist mehr als nur wahrscheinlich, dass die Zivilcourage dieser Menschen auf ihrem Glauben basierte. Für denkbar halte ich dies deshalb, weil derjenige, der es mit der christlichen Nächstenliebe Ernst nimmt, auch Mut entwickelt, diese zu leben. In Zeiten totalitärer Regime erfordert Nächstenliebe mitunter große Zivilcourage, wie sie nur Menschen aufbringen, die zu wirklicher Anteilnahme fähig sind.

Ich möchte die Kurzbiografien nun nicht verkürzt darstellen. Sondern ich empfehle diese Biographien in Schulen, aber auch in Familien zu lesen und zu diskutieren. Wie Schlingensiepen so zutreffend bemerkt, haben die beschriebenen Menschen sich der Wirklichkeit ihrer Zeit ausgesetzt und das Böse in ihr erkannt und bekämpft. Genau darin besteht ihr bleibendes Vorbild und obschon diese Vorbilder aus der dunkelsten Epoche unserer Geschichte uns auf Fragen im Hier und Heute vielleicht keine Antwort geben können, zeigen sie uns doch, mit welcher Haltung man in schwersten Krisen ein Mensch bleiben kann, der sich der Vorteile und damit nicht selten des verlockenden Bösen wegen keinesfalls verbiegen lässt.

 Empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: Geschwister- Susann Sitzler- Klett Cotta

Die Autorin Susanne Sitzler befasst sich in ihrem Buch mit einem interessanten Thema, nämlich dem der Geschwister. Dabei untergliedert sie ihr Werk in fünf Teile:

Was Geschwister sind 
Wobei Geschwister stören 
Wo man Geschwister herbekommt 
Wie man Geschwister loswird 
Warum Geschwister gut sind 

Sie schreibt, wenn Psychologen über Geschwister sprechen oder Journalisten darüber schreiben, dann stünde im Hinblick auf Geschwisterreflektionen zumeist die Beziehung im Vordergrund und damit die Lernmöglichkeiten, die Unbedingtheit der Zusammengehörigkeit, aber auch die Nachhaltigkeit der Verbindung. 

Wie die Autorin meint, lernen wir mit Geschwistern nicht das Teilen, sondern vielmehr das Verhandeln. Mit Geschwistern wird ferner das Schwindeln und Lügen eingeübt, um auf diese Weise Vorteile zu erlangen. In diesem Zusammenhang schließlich lernen Kinder die Grenzen ihres Handelns kennen. 

Wer Geschwister hat, erfährt schon früh, was Gerechtigkeit heißt, auch was Edelmut und Großherzigkeit bedeutet. Eifersucht und Rivalität zählen zu den Erfahrungen, die man mit Geschwistern machen kann, Zuneigung und Verbundenheit kommen erst später und sind nach Sitzler keine Selbstverständlichkeit. 

Offenbar gibt es im Konkurrenzuniversum einer Familie auch Nischen und diese dienen der Abgrenzung. 

Geschwister vermögen tiefer und gezielter als alle anderen Menschen verletzen und das nicht selten ein Leben lang. Nicht alle Verletzungen geschehen absichtslos. Mitunter gibt es Geschwisterbeziehungen, in denen von Beginn an eine extreme Schieflage erkennbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn aufgrund bestimmter Umstände ein Kind mehr Zuwendung als andere bekommt. 

Interessant, dass mit Geschwisterhass zumeist Brüderhass gemeint ist, schreibt die Autorin. Dies hängt mit der patriarchalischen Tradition zusammen, auf der viele Kulturen basieren. 

Das Buch liest sich spannend, auch für Einzelkinder, die dadurch eine Welt begreifen lernen, die ihnen verschlossen blieb. Ich will die einzelnen Themen des Buches hier nicht in Kurzform abhandeln, sondern es bei diesen essentiellen Gedanken der Autorin belassen 

Die Geschwistergeschichten, die man hier nachlesen kann, sind lehrreich und zeigen mir als Einzelkind, dass man es schwerer hat, sich in der Welt zurecht zu finden, wenn man ohne Geschwister aufgewachsen ist, weil man viele Behauptungsstrategien einfach nicht erlernt hat und zunächst viel zu arglos auf Menschen zugeht.

Als Kind glaubte ich  an die gute Beziehung zwischen  Geschwistern und meinte diese bei Freunden, Cousins und Cousinen im Hinblick auf ihre Geschwister zu sehen. Mein Bruder starb im Alter von 11 Monaten als ich noch keine drei Jahre alt war. Ich empfand sein frühes Sterben  immer als großen Verlust, hielt mich stets gerne dort auf, wo Geschwister zuhause waren und empfand das Spielen dort als Idylle.

Heute Jahrzehnte später bin ich einfach nur noch entsetzt, dass fast alle Geschwister, die ich kenne, sich wegen Erbstreitigkeiten in die Haare bekommen haben und frage mich, ob dies der Zeitgeist ist oder normales Verhalten zwischen Geschwistern? Ich bin überzeugt, es ist der Zeitgeist, der von absoluter Habsucht geprägt ist. 

Empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: #Träume- Stefan Klein- S.Fischer-Verlage

Dr. Stefan Klein ist Wissenschaftsautor, der Physik und analytische Philosophie studiert und mit einer Arbeit über theoretische Biophysik promoviert hat. Sein neues Buch trägt den Titel  "Träume – Eine Reise in unsere Wirklichkeit"

Der Autor stellt seinem Werk ein Frage Leonardo da Vincis voran, die ich hier zitieren möchte: 

"Warum sieht das Auge
 Im Traum klarer 
 Als die Vorstellung wachend?“ 

Nach einen kurzen Einleitung versucht Klein, diese Frage umfassend zu beantworten. Dabei verdeutlicht er sogleich, dass man mit Träumen mehr Zeit als mit jeder anderen Tätigkeit zubringt, weil Schlaf ein gutes Drittel unseres Lebens ausfüllt. Dennoch bleiben uns die wenigsten Träume im Gedächtnis. 

Der Autor unterteilt sein Buch in drei große Abschnitte 

Was Träume sind 
Was Träume über uns sagen 
Wie Träume unser Leben verändern

Schon die vorsokratischen griechischen Philosophen aber auch alle traditionellen Kulturen bis heute sind davon überzeugt, dass unsere Seele tagsüber mit unserem Körper verbunden ist, im Schlaf und nach dem Tode jedoch ihre eignen Wege geht. Die älteste Erklärung für die Bilder in der Nacht sei, dass höhere Mächte sie den Menschen eingeben. Heute weiß man, dass wir nachts Aspekte unserer Lebensgeschichte erfahren und auf Ideen kommen können, die sich uns im Wachleben entziehen. Zudem zeigen Träume wie Bilder, Erinnerungen und Gedanken überhaupt in unseren Köpfen entstehen. Insofern ist es uns im Traum möglich, zuzusehen, wie unser Geist funktioniert. 

Man erfährt wie die Wissenschaft Träume greifbar macht und in diesem Zusammenhang, dass man mit dem Wort "Traum" drei unterschiedliche Phänomene bezeichnet. 

1. Die Erinnerung an ein Erleben im Schlaf 
2. Das innere Erleben selbst 
3. Wie Träume unser Leben verändern

Traumartige Zustände während des Tages wurden lange nicht beachtet. Träumen, Tagträumen und scheinbares Nichtstun aber sind lebensnotwendig. Die Gründe hierfür werden im Buch sehr gut erläutert. 

Bestimmte Muster des Schlafs bestimmen offenbar unsere Träume, auch darüber erfährt man Wissenswertes und zudem, dass im Schlaf das limbische System die Kontrolle übernommen hat und wir deshalb in einen archaischen Zustand zurückfallen. Weil unser Gehirn im REM-Schlaf (was man darunter zu verstehen hat, wird im Buch genau erläutert)  mit den Hormonen Serotonin und Noradrenalin geizt, erleben Träumer einen Sturm der Gefühle und Szenen jenseits aller Vernunft und taumeln "durch Szenen voller Angst und Aggression.“ 

Grundsätzlich sind Träume weit mehr als nur der verzerrte Widerschein des Wachlebens, für den wir sie in der Regel halten. Sie offenbaren uns, welche Vorstellungen unser Gehirn hervorbringt, sobald es "vom Dauerfeuer der Sinne verschont bleibt". 

Wie Klein konstatiert, sind Träume ein Spiel mit den Möglichkeiten. Wir durchwandern in ihnen eine von uns selbst konstruierte Wirklichkeit, die wir anschließend in der Außenwelt suchen. Träume sind auch Zeitreisen, denn im Schlaf ist es möglich, Monate, Jahre oft Jahrzehnte zurückzugehen. Unsere nächtlichen Erlebnisse schenken uns einen unverstellten Blick in die tieferen Schichten des Bewusstseins, auf jene Prozesse, die gewissermaßen unter der Benutzeroberfläche ablaufen, erläutert Stefan Klein, der auch verdeutlicht, wer im Traum wir eigentlich sind und weshalb wir bei Nacht mehr erleben als am Tage. 

Der Autor äußert sich auch zum Bewusstsein, das verschiedene Schichten besitze. Dabei sei in den einfachen Träumen des frühen Tiefschlafs das Ich-Empfinden verschwunden und man könne nur Farben, Licht und andere elementare Eindrücke wahrnehmen, selten ein vereinzeltes Bild oder versprengte Gedanken. Obschon man nicht das Gefühl hat als Person anwesend zu sein. 

Man lernt während man schläft. Nicht nur die Fähigkeiten erweitern sich, sondern auch der Charakter. Interessant ist es, dass wir unsere Träume zu lenken vermögen, dabei müssen wir den sogenannten Traumkörper als Teil unserer selbst verstehen. 

Kafka gilt als großer Träumer. Er hat, wie Klein schreibt, mehr als 60 Aufzeichnungen von Erlebnissen im oder an der Grenze vom Schlaf erhalten. Einige seiner Traumtexte illustrierte er auch. Offenbar lassen sich nicht wenige Künstler von ihren Träumen inspirieren. Klein erwähnt Dürer, aber auch McCartney, der die Melodie von "Yesterday" erstmals im Traum hörte und sie morgens aufnotierte. Zwischen Kreativität und Traum gibt es einen Zusammenhang, der im Buch deutlich wird.

Gedeihen kann kreatives Denken am besten zwischen Träumen und Wachen und zwar, sobald ungezügelte Fantasie auf zumindest ansatzweise kritisches Bewusstsein trifft. Dies ist der Zustand, wo originelle oder auch taugliche Ideen entstehen. 

In seinem Epilog resümiert Klein, dass Träume die Welt verändern und insofern die Macht besitzen, unserem Leben eine neue Wendung zu geben. Das hängt damit zusammen, dass Träume die Leitmotive unseres Lebens verkörpern. 

Der Autor hat auf den letzten Seiten einen Gedanken Fernando Pessoas einem Kapitel vorangestellt, den ich  jetzt zum Ende der Rezension zitieren möchte, weil er auf wunderbare Weise, die wesentliche Aussage des Buches zusammenfasst. 

"Und so, wie ich träume
Denke ich auch nach, wenn 
Ich will, es ist nur eine andere
Art des Träumens." 

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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Rezension: #Vom_Aufstieg_und_anderen_Niederlagen- #Giovanni_di_Lorenzo- #Kiepenheuer&Witsch

Dieses bemerkenswerte Buch enthält zwanzig Interviews, die Giovanni di Lorenzo (#Chefredakteur der #ZEIT) im Laufe der vergangenen 33 Jahre mit namhaften Persönlichkeiten geführt hat. Ihm macht es stets eine besondere Freude "in einem Gespräch eine Spannung aufzubauen, einen Moment der Authentizität einzufangen, im besten Falle auch eine Überraschung, im Guten wie im Schlechten." 

Im Vorwort merkt der Journalist an, dass in Fernsehinterviews der persönliche Eindruck  von der Person auf dem Bildschirm zumeist wichtiger sei als die Aussagen selbst. Di Lorenzo schreibt auch über Besonderheiten bei Interviews in den Printmedien und verschweigt keineswegs die Kürzungen der Gesprächsinhalte dort, die ich selbst für problematisch erachte und auf "Buch, Kultur und Lifestyle" generell nicht vornehme und zwar der Authentizität wegen. 

Di Lorenzo führt seine #Interviews am liebsten alleine, weil er eine Grundstimmung benötigt, die ohne das Mitwirken von Kollegen besser herzustellen sei. Nicht selten lasse dann ein falsch interpretierter Satz ein Gespräch kippen. Di Lorenzo formuliert seine Sätze nicht vor, sondern agiert  mittels auf Karteikärtchen festgehaltenen Stichpunkten, lässt sich insofern vor Ort auf die Persönlichkeit des Gesprächspartners ein und entwickelt auf diese Weise einen Dialog auf gleicher Augenhöhe. 

Aus den zahlreichen Gesprächen, die der Journalist führte, hat er 20 Interviews ausgesucht, die man im Buch in umgekehrt chronologischer Reihenfolge abgedruckt vorfindet. Das jüngste Interview aus dem Jahre 2014 hat di Lorenzo mit Renate Lasker-Harpprecht geführt, die Auschwitz und Bergen-Belsen überlebte. 

Bei Interviews im Buch wartet der Autor stets mit einigen klärenden Eingangsworten auf, um sich dann auf den Gesprächspartner einzulassen und ihn zu öffnen. Dieses Öffnen gelingt di Lorenzo vortrefflich. Er findet immer die richtigen Worte und beeindruckt durch eine bemerkenswert subtile Gesprächsführung, bei der es ihm stets gelingt, sich als Person vollständig zurückzunehmen. Dieses Verhalten setzt Seelen-Adel voraus. 

Dieser Tage las ich nicht ohne Grund erneut das Interview mit Armin_Mueller_Stahl, dessen Arbeiten auf Papier derzeit in Überlingen in der Galerie Schumacher zu besichtigen sind. Da ich den wunderbaren Katalog zur Ausstellung gerade rezensiert habe, interessierte mich das Gespräch mit dem vielseitigen Schauspieler, Maler, Musiker und Dichter besonders. Lorenzo hat es aufgrund seiner intelligenten Fragen geschafft, deutlich zu machen, dass man es bei Armin-Müller-Stahl mit einem sehr reflektierten, vor allem aber weltoffenen Menschen zu tun hat, der um die deutsche Enge weiß und um den typisch deutschen Neid, den man anderen Orts in dieser Form nicht kennt. 

Di Lorenzos Gesprächspartner im Buch sind: Renate Lasker-Harpprecht, Armin Müller-Stahl, Helmut Dietl, Joachim Gauck, Karl-Theodor Guttenberg. Monica Lierhaus, Margot Käßmann, Anne-Sophie Mutter, Halil Andie, Helmut Schmidt, Boris Becker, Angela Merkel, Giovanni Trapattoni, Rudolf Augstein, Petra Kelly, Hans-Jürgen Wischnewski, Silvio Berlusconi, Toni Negri und Sergio Corbucci. 

Wie gehen Menschen mit Höhen und Tiefen in ihrem Leben um? Auf diese Frage findet man im Buch gute Antworten, die über das Gesagte, wenn man alles zusammenfasst, hinausgehen. Dass dies möglich ist, ist gewiss Giovanni di Lorenzos getroffener Auswahl zu verdanken, aber auch  dem gedanklichen Tiefgang der Gespräche, den er durch seine Fragen vorgibt. 

1993 interviewte di Lorenzo Rudolf Augstein. In diesem Interview fand ich eine Frage und eine Antwort, die ich hier zitieren möchte, weil ich sie als eine letzte Botschaft des großen und dabei weitsichtigen Journalisten an uns alle begreife: 

Giovanni di Lorenzo: "Sind die Menschen unfähig, ihr eigenes Überleben zu organisieren?" 

Rudolf Augstein: "Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass sie dazu unfähig sind. Wenn es so weitergeht wie bisher, wird die Menschheit nicht mehr lange überlebensfähig sein." 

Das Buch empfehle ich sehr gerne, weil es Bewusstsein bildet im Hinblick auf den ewigen Wandel der Zeitläufte, dem man sich nicht entziehen kann.

Helga König

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