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Rezension: Der gekränkte Mann- Tobias Haberl-Piper



Autor dieses Buches ist der Literaturwissenschaftler Tobias Haberl. Er schreibt für die Süddeutsche Zeitung und hat den Bestseller "Die große Entzauberung- Vom trügerischen Glück des heutigen Menschen" verfasst.
 
Das vorliegende Werk handelt von gekränkten Männern, warnt  er bereits im Vorwort. Diese Spezies seien sein Thema. Ihre Perspektive habe ihn interessiert. Dabei sei sein Buch keine Kriegserklärung, sondern vielmehr ein Vermittlungsversuch zwischen Männern und Frauen und allen, die es sonst noch gibt. Er wolle wissen, von welchen Veränderungen sich Männer zu Recht gekränkt fühlen und welche sie akzeptieren sollten, "ja selbst wollen, weil sie auch ihr Leben freier, gesünder und schöner machen könnten."

Der 1976 geborene Autor schreibt, dass seine Jugendidole strahlende Sieger oder jämmerliche Verlierer, Kämpfer oder Zweifler, harte Hunde oder verzärtelte Flaneure waren, die alles nur nicht gewöhnlich gewesen sind. Heute seien seine Helden von einst allerdings  Lachnummern. Alles, was in seiner Jugend cool gewesen sei, sei heute fragwürdig, peinlich und verboten. Das kann natürlich verunsichern.

Haberl fehlen "nicht nur Männer, die aufs Ganze gehen, ohne über Likes und Konsequenzen nachzudenken, sondern auch Eleganz, Großzügigkeit, Spontanität, Risikofreude und Exzess." Wehmütig fragt er: "Wo sind die Männer, die sich nicht optimieren, sondern verschwenden, die nicht achtsam, sondern aufrichtig sind, die sich im Kalender keine Brückentage anstreichen, sondern verrückt aufs Leben sind?"

Wie er festhält, definieren sich Männer stärker über Hierarchien und Abgrenzung als Frauen und je weiter rechts sie politisch stünden, desto größer sei ihre Sehnsucht nach Autorität und militärischen Strukturen. 

Die Zeit arbeite in vieler Hinsicht gegen Männer, auch im Hinblick auf sexuellen Missbrauch von Frauen, wie die "MeToo –Bewegung" zeigt. Noch immer täten sich viele Männer schwer mit einem Kultur- und Normenwandel, auch mit neuen Anforderungen, die man an sie stelle. Die Vorstellung, dass Frauen und Männer nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich auch gleiche Rechte haben, empfänden sie nicht als Fortschritt, sondern vielmehr als Angriff auf ihre Identität und nicht nur das, sondern sogar als Niederlage. In Internetforen ließen sie dann ihrem Hass freien Lauf. 

Für Rechtspopulisten sei autoritäre Männlichkeit die Lösung für alles, wovon die sich bedroht fühlten. Putin in seiner "toxischen Männlichkeit" passt hier am besten ins Bild. 

Während die westliche Welt weiblicher, liberaler und ökologischer werde, fühlen sich diese Männer funktionslos, ja sogar entwertet. Aber bei allem sollte bedacht werden, dass es eine männliche Energie gäbe, die nicht verloren gehen sollte, eine Energie jenseits von Gewalt, fähig aber Spannungen auszuhalten und Konflikte zu lösen. Das scheint derzeit bei nachwachsenden Generationen verloren zu gehen. Doch macht diese Energie Männer wirklich glücklich?  

Wann wird den Jungs zu viel zugemutet? Vielleicht, wenn die Spontanität der Sprache durch "gendern" gekillt wird. Hier muss man kein Mann sein, wenn man zustimmend nickt bei nachstehenden Zeilen: "Sprache ist ungerecht, diskriminierend, anarchisch, zauberhaft, ein echtes Kunstwerk, anders kann ich sie mir gar nicht vorstellen: die Amsel, der Specht, das Tier- wer soll das verstehen? Man kann diese Tatsache hinnehmen oder den prometheischen Versuch unternehmen, sie von sämtlichen Unreinheiten zu befreien. Am Ende wäre sie korrekt, aber reizlos, makellos, aber öde, sauber, aber tot."

Thomas Haberl geht offen mit den Widersprüchen und Ungereimtheiten des Maskulinen um, reflektiert, was fragmentierte Identitäten voneinander trennt, fände es allerdings schön, allmählich wieder in den Blick zu nehmen, was verbindet, nämlich dass wir alle Menschen des 21. Jahrhunderts sind, vor denen extreme Herausforderungen liegen. Es gehe um gewaltige Umwälzungen, um einen umfassenden Paradigmenwechsel, gemeint: Klimawandel, Rechtsruck, digitale Überwachung, künstliche Intelligenz, etc. etc. 

Kampf zwischen den Geschlechtern sollte dem Gestern angehören. Gemeinsam die Probleme des Hier und Heute zu lösen, erfordert unsere ganze Kraft. Das wissen alle, die vernünftig sein. Tobias Haberl weiß es auch und wirbt für Vernunft. 

Sehr empfehlenswert.

Helga König

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