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Rezension: Innovation- Streitschrift für barrierefreies Denken- Wolf Lotter- Edition Körber

Der Journalist und Autor Wolf Lotter ist Gründungsmitglied des Wirtschaftsmagazins "brand eins" und verantwortet dort seit 2000 die Leitartikel zu den Schwerpunkten. Der Autor gilt als Vordenker in der Entwicklung von der alten Industriegesellschaft hin zur neuen Wissensgesellschaft. 

Sein neues Buch hat Wolf Lotter in vier große Abschnitte untergliedert, dem er einen einleitenden Text mit dem Titel "Der Stoff, aus dem das Neue ist" vorangestellt hat. Er verdeutlicht hier u.a., dass die Auseinandersetzung von Alt und Neu nicht zwangsläufig die zwischen Alt und Jung sei. Es handele sich um einen Mythos, dass Erneuerung, Innovation und Veränderung stets der Kampf der Ungestümen, der Jungen, der Revolutionäre gegen die Alten, Verstockten, Unbelehrbaren sei. Dieser Mythos müsse durch eine neue Innovationskultur beseitigt werden, übrigens keineswegs nur, weil der Rohstoff "Erfahrung" in der Wissensgesellschaft von größter Bedeutung sei. 

Eine Innovationskultur für die Wissensgesellschaft, die tatsächlich barrierefrei sei, sei eine inklusive Innovationskultur- oder keine. Sie nütze alle geistigen und kreativen Ressourcen. Sie verbinde Erfahrung und Experiment. Auf diese Weise werde Innovation zu einem Prozess, der auf Gemeinsamkeit, auf Austausch, auf Kooperation und Konsens beruhe. 

In der Wissensgesellschaft verlasse das Individuum die Zone der Massenkultur. Nun werden Selberdenker und Selbstermächtiger benötigt. Menschen müssen sich jetzt frei entwickeln können. Hierarchien seien nun untauglich geworden. Nun bedürfe es einer Vertrauenskultur. Totale Kontrolle und totale Fixierung seien eine schlechte Umgebung für Innovation. Diese habe zum Ziel, mehr Freiraum zu schaffen, denn sie sei der Gegensatz zur Normalität, eine Alternative zur Regel sozusagen und mithin das Andere. 

Da die statische Wohlstandswelt primär aus Besitzstandswahrern und Verteidigern der Normalität ihrer Machtbereiche und Regeln bestehe, werde jeder, der ernsthaft Innovation betreibe, ein Außenseiter, jemand, den man nicht besonders gerne sehe. 

Innovation sei dynamisch und nicht dogmatisch. Querdenken helfe der Innovation nur selten, sondern diene dem Systemerhalt. Man liest von Scheininnovationen und solchen, die den Namen verdienen. Wirkliche Innovationen lösten oder verringerten Probleme und erhöhten die Chancen. Wichtig sei, dass man Innovationen verstehe und annehme. 

Wolf Lotter erinnert an die Brille als zentrale Innovation der Neuzeit, gewissermaßen war dies der Computer der Renaissance. Hier wurde ein Defizit zu einer Chance, ein Nachteil wurde in einen Vorteil verwandelt. Genau dies sei das Grundmuster der Innovation. 

Für die Innovation benötige man Erwachsene, ganz gleich, welchen Alters, Menschen eben, die eigenständig denken, solche die Mut haben, sich ihres Verstandes zu bedienen. Im Gegensatz zum Opportunismus sei Innovation nicht ausgrenzend und keine Denkbarriere. 

In den Transformationsphasen der Gesellschaft  hin zur Wissensgesellschaft benötige man  allerdings Grundsicherungen, um diese erträglicher zu gestalten, aber diese Innovation müsse sein, nicht zuletzt weil innovationsarme Gesellschaften auch materiell verarmen. 

Man erfährt äußerst Erhellendes zu den Kondratjew-Wellen der Erneuerung. Sie helfen beim Denken über Innovation, weil sie entschleunigen. Man lernt durch diese Theorie, das Ganze gründlicher zu betrachten und sich nicht von Moden und kurzlebigen Trends ablenken zu lassen. Wir sind nun an dem entscheidenden Punkt angelangt. So viel nur dazu. Dann erfährt man Näheres über die sieben Archetypen der Innovatoren und liest schließlich mehr zur Innovationsgesellschaft und was diese auszeichnet. Es sind die Räume, die hier geschaffen werden, auf die es ankommt, wenn kreativ, talentiert und innovativ gearbeitet werden soll. In diesen Räumen ist Routine fehl am Platz. 

Allerdings muss man wissen, dass das Streben nach Innovation all das ausschließt, wonach sich Menschen elementar sehnen: Gewissheit, Eindeutigkeit und Sicherheit. Innovation  erfordert also Mut.

Innovation möchte eine nachhaltige Veränderung und möchte keinesfalls die Leistungsfähigsten an das Mittelmaß anpassen, denn dies wäre kontraproduktiv. Innovation will barrierefreies Denken, möchte Vielfalt, vielleicht weil diese ein Garant dafür ist, dass der Raum sich immer mehr erweitert und damit die Möglichkeit eröffnet, immer mehr Probleme zu lösen und Chancen zu eröffnen. Das klingt sehr reizvoll.

Willkommen in der Wissensgesellschaft, in der keiner mehr Angst hat, sich seines Verstandes zu bedienen, sondern ihn als das begreift, was er ist: ein  Raumöffner.

Sehr empfehlenswert
Helga König

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Innovation: Streitschrift für barrierefreies Denken