Prof. Dr. Rudolf Taschner zeigt in diesem Buch die Kluft zwischen Recht und Gerechtigkeit auf, die sich seit Jahrhundert letztlich nicht schließen lässt. Der Autor weiß, dass Gleichheit, Generation, Gesetz, Geschichte, Geschäft, Gestaltung, Gewissen, Gnade kaum mit dem Begriff Gerechtigkeit in Einklang zu bringen sind. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Das zeigt der Wissenschaftler gut nachvollziehbar an vielen Beispielen.
In diesem Buch wird der Begriff "Gerechtigkeit" aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Schon im Prolog macht Prof. Dr. Taschner klar, dass es auf Erden bislang keine Gerechtigkeit gibt, sondern nur eine Sehnsucht nach ihr.
Der Autor hat sich mit vielen klugen Köpfen aus vorangegangener Zeit befasst und auch mit Veränderungen im Laufe der Geschichte. Er zeigt wie alter Standesdünkel aufgehoben wurde, aber alsbald wieder neuer entstand. Der Egoismus vieler Menschen lässt offenbar selten anderes zu, als Eigeninteressen den Vorrang zu geben. Man erfährt Näheres über Mozarts Entwicklung, der aufgrund seiner Begabung auch ein hervorragender Mathematiker hätte werden können, aber Musiker wurde, weil sein Vater es bereits war und sein Schicksal in der damaligen Ständegesellschaft nichts anderes zuließ, (vgl.: S. 14 ff).
Carl Friedrich Gauß, ein hochbegabtes Kind armer Eltern, hatte Glück, dass er in eine Zeit geboren wurde, in der der Mensch bereits als autonomes Wesen betrachtet wurde. Er erhielt eine Chance, seiner Begabung gemäß zu arbeiten, weil ein kluger Lehrer ihn gefördert hat und er schließlich ein Stipendium am Martino-Katharineum-Gymnasium bekam, (vgl.: S.17).
Prof. Dr. Taschner macht klar, dass Fortune bei solchen Entwicklungen immer Pate steht und sie im Grunde bis ins Heute hinein nichts mit gerechteren Strukturen zu tun haben.
Thematisiert wird die Tatsache, dass mit dem Verschwinden alter Privilegien und des hohen Klerus sich eine neue Gesellschaftsschicht- das Bildungsbürgertum- entwickelte. Auch diese Kaste achtete darauf, dass ihre Nachfahren wichtige politische Positionen besetzten oder zumindest auf deren Inhaber Einfluss nehmen konnten, (vgl.: S.23). Auch sie waren nicht an fairen Verhältnissen interessiert.
Zur Sprache kommt die "Französische Revolution" und deren Idealbild des Citoyen, auch Thomas Jefferson wird nicht vergessen und auf Theoretiker wie John Rawls wird hingewiesen. Rawls hat in seiner "Theorie der Gerechtigkeit" 1971 gefragt, auf welche sozialen, ökonomischen und politischen Grundregeln für eine Gesellschaft sich vernünftige Personen im Voraus einigen würden, sofern sie nicht wüssten, welche Stellung sie selbst in dieser Gesellschaft haben werden, (vgl.: S.29). Man erfährt, dass Rawls aufgrund seines Gedankenexperiments zwei Grundsätze für Gerechtigkeit forderte, die man bei Taschner gut zusammengefasst nachlesen kann. Nachlesen kann man auch die Schwachstellen in dem gedanklichen Konzept von Rawls. Taschner zieht schließlich das wohl berechtigte Fazit, dass eine gerechte Welt im Sinne von Rawls statisch sei, (vgl.: S.30)
Der Autor schreibt auch von Olympe de Gouges, die zu Zeiten der französischen Revolution den Keim zum Frauenwahlrecht und damit zur Anerkennung der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau legte, (vgl.:S.34), erwähnt wird auch die Präambel zu Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, Calvin, Thomas Hobbes, Thomas Morus und wie sie alle hießen, die jeder auf seine Art über die Umsetzung von Gerechtigkeit von nachdachten.
Der Autor fragt u.a, ob Vergessen oder Erinnern der Gerechtigkeit diene, auch über Kants Reflektionen zum "ewigen Frieden" liest man im Hinblick auf Gerechtigkeit Wissenswertes. Eine Fülle von Informationen fließt auf den Leser ein und es hat mich gefreut, endlich auf Seite 185 zu den "kategorischen Imperativ" von Kant zu finden, der meines Erachtens, wenn jeder ihn in all seinem Tun anwenden würde, ein Garant für Fairness darstellen könnte.
Taschner titelt auf Seite 188 "Das Gewissen ist die einzige Instanz wahrer Gerechtigkeit". Dieser These schließe mich an. Schade, dass nicht alle Menschen auf ihr Gewissen hören, sondern sich lieber vorteilsbezogen verhalten. Dieses Verhalten vereitelt faire, gerechte Verhältnisse. Nach meiner Ansicht ist das Problem ungerechter Strukturen und Verhaltensmuster nur auflösbar, wenn man die Gedanken von Weisheitslehrern wie E. Tolle umsetzt, die verdeutlichen, dass Egomanie die Ursache für den wenig paradiesischen Zustand unserer Erde darstellt.
Gerechtigkeit heißt meines Erachtens, dass man fair miteinander umgeht, dass Menschen ihren Begabungen gemäß arbeiten und leben können, dass weder Korruption noch Vetternwirtschaft die aufrichtigen Bemühungen eines Menschen zu unterminieren vermögen, dass man gegen solche Machenschaften in Gemeinschaften rigoros vorgeht und das Streben nach Glück der Einzelnen nicht durch selbstsüchtige Machthaber im Keim erstickt werden kann. Gerechtigkeit ist m.E. nur in demokratischen Strukturen umsetzbar und zwar nur dann, wenn jeder gemäß Kants "kategorischen Imperativ" agiert. Gerechte Strukturen setzen voraus, dass man respektvoll miteinander umgeht und respektvolle Kommunikation nicht unterbindet. Prof. Dr. Taschner hat leider recht. "Es gibt sie nicht auf Erden, - die Gerechtigkeit."
Lesenswert.
Helga König
Helga König
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