Dieses bemerkenswerte Buch enthält zwanzig Interviews, die Giovanni di Lorenzo (#Chefredakteur der #ZEIT) im Laufe der vergangenen 33 Jahre mit namhaften Persönlichkeiten geführt hat. Ihm macht es stets eine besondere Freude "in einem Gespräch eine Spannung aufzubauen, einen Moment der Authentizität einzufangen, im besten Falle auch eine Überraschung, im Guten wie im Schlechten."
Im Vorwort merkt der Journalist an, dass in Fernsehinterviews der persönliche Eindruck von der Person auf dem Bildschirm zumeist wichtiger sei als die Aussagen selbst. Di Lorenzo schreibt auch über Besonderheiten bei Interviews in den Printmedien und verschweigt keineswegs die Kürzungen der Gesprächsinhalte dort, die ich selbst für problematisch erachte und auf "Buch, Kultur und Lifestyle" generell nicht vornehme und zwar der Authentizität wegen.
Di Lorenzo führt seine #Interviews am liebsten alleine, weil er eine Grundstimmung benötigt, die ohne das Mitwirken von Kollegen besser herzustellen sei. Nicht selten lasse dann ein falsch interpretierter Satz ein Gespräch kippen. Di Lorenzo formuliert seine Sätze nicht vor, sondern agiert mittels auf Karteikärtchen festgehaltenen Stichpunkten, lässt sich insofern vor Ort auf die Persönlichkeit des Gesprächspartners ein und entwickelt auf diese Weise einen Dialog auf gleicher Augenhöhe.
Aus den zahlreichen Gesprächen, die der Journalist führte, hat er 20 Interviews ausgesucht, die man im Buch in umgekehrt chronologischer Reihenfolge abgedruckt vorfindet.
Das jüngste Interview aus dem Jahre 2014 hat di Lorenzo mit Renate Lasker-Harpprecht geführt, die Auschwitz und Bergen-Belsen überlebte.
Bei Interviews im Buch wartet der Autor stets mit einigen klärenden Eingangsworten auf, um sich dann auf den Gesprächspartner einzulassen und ihn zu öffnen. Dieses Öffnen gelingt di Lorenzo vortrefflich. Er findet immer die richtigen Worte und beeindruckt durch eine bemerkenswert subtile Gesprächsführung, bei der es ihm stets gelingt, sich als Person vollständig zurückzunehmen. Dieses Verhalten setzt Seelen-Adel voraus.
Dieser Tage las ich nicht ohne Grund erneut das Interview mit Armin_Mueller_Stahl, dessen Arbeiten auf Papier derzeit in Überlingen in der Galerie Schumacher zu besichtigen sind. Da ich den wunderbaren Katalog zur Ausstellung gerade rezensiert habe, interessierte mich das Gespräch mit dem vielseitigen Schauspieler, Maler, Musiker und Dichter besonders. Lorenzo hat es aufgrund seiner intelligenten Fragen geschafft, deutlich zu machen, dass man es bei Armin-Müller-Stahl mit einem sehr reflektierten, vor allem aber weltoffenen Menschen zu tun hat, der um die deutsche Enge weiß und um den typisch deutschen Neid, den man anderen Orts in dieser Form nicht kennt.
Di Lorenzos Gesprächspartner im Buch sind: Renate Lasker-Harpprecht, Armin Müller-Stahl, Helmut Dietl, Joachim Gauck, Karl-Theodor Guttenberg. Monica Lierhaus, Margot Käßmann, Anne-Sophie Mutter, Halil Andie, Helmut Schmidt, Boris Becker, Angela Merkel, Giovanni Trapattoni, Rudolf Augstein, Petra Kelly, Hans-Jürgen Wischnewski, Silvio Berlusconi, Toni Negri und Sergio Corbucci.
Wie gehen Menschen mit Höhen und Tiefen in ihrem Leben um? Auf diese Frage findet man im Buch gute Antworten, die über das Gesagte, wenn man alles zusammenfasst, hinausgehen. Dass dies möglich ist, ist gewiss Giovanni di Lorenzos getroffener Auswahl zu verdanken, aber auch dem gedanklichen Tiefgang der Gespräche, den er durch seine Fragen vorgibt.
1993 interviewte di Lorenzo Rudolf Augstein. In diesem Interview fand ich eine Frage und eine Antwort, die ich hier zitieren möchte, weil ich sie als eine letzte Botschaft des großen und dabei weitsichtigen Journalisten an uns alle begreife:
Giovanni di Lorenzo: "Sind die Menschen unfähig, ihr eigenes Überleben zu organisieren?"
Rudolf Augstein: "Die bisherigen Erfahrungen deuten darauf hin, dass sie dazu unfähig sind. Wenn es so weitergeht wie bisher, wird die Menschheit nicht mehr lange überlebensfähig sein."
Das Buch empfehle ich sehr gerne, weil es Bewusstsein bildet im Hinblick auf den ewigen Wandel der Zeitläufte, dem man sich nicht entziehen kann.
Helga König
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