Dr. Stefan Klein ist Wissenschaftsautor, der Physik und analytische Philosophie studiert und mit einer Arbeit über theoretische Biophysik promoviert hat. Sein neues Buch trägt den Titel "Träume – Eine Reise in unsere Wirklichkeit"
Der Autor stellt seinem Werk ein Frage Leonardo da Vincis voran, die ich hier zitieren möchte:
"Warum sieht das Auge
Im Traum klarer
Als die Vorstellung wachend?“
Nach einen kurzen Einleitung versucht Klein, diese Frage umfassend zu beantworten. Dabei verdeutlicht er sogleich, dass man mit Träumen mehr Zeit als mit jeder anderen Tätigkeit zubringt, weil Schlaf ein gutes Drittel unseres Lebens ausfüllt. Dennoch bleiben uns die wenigsten Träume im Gedächtnis.
Der Autor unterteilt sein Buch in drei große Abschnitte
Was Träume sind
Was Träume über uns sagen
Wie Träume unser Leben verändern
Schon die vorsokratischen griechischen Philosophen aber auch alle traditionellen Kulturen bis heute sind davon überzeugt, dass unsere Seele tagsüber mit unserem Körper verbunden ist, im Schlaf und nach dem Tode jedoch ihre eignen Wege geht. Die älteste Erklärung für die Bilder in der Nacht sei, dass höhere Mächte sie den Menschen eingeben. Heute weiß man, dass wir nachts Aspekte unserer Lebensgeschichte erfahren und auf Ideen kommen können, die sich uns im Wachleben entziehen. Zudem zeigen Träume wie Bilder, Erinnerungen und Gedanken überhaupt in unseren Köpfen entstehen. Insofern ist es uns im Traum möglich, zuzusehen, wie unser Geist funktioniert.
Man erfährt wie die Wissenschaft Träume greifbar macht und in diesem Zusammenhang, dass man mit dem Wort "Traum" drei unterschiedliche Phänomene bezeichnet.
1. Die Erinnerung an ein Erleben im Schlaf
2. Das innere Erleben selbst
3. Wie Träume unser Leben verändern
Traumartige Zustände während des Tages wurden lange nicht beachtet. Träumen, Tagträumen und scheinbares Nichtstun aber sind lebensnotwendig. Die Gründe hierfür werden im Buch sehr gut erläutert.
Bestimmte Muster des Schlafs bestimmen offenbar unsere Träume, auch darüber erfährt man Wissenswertes und zudem, dass im Schlaf das limbische System die Kontrolle übernommen hat und wir deshalb in einen archaischen Zustand zurückfallen. Weil unser Gehirn im REM-Schlaf (was man darunter zu verstehen hat, wird im Buch genau erläutert) mit den Hormonen Serotonin und Noradrenalin geizt, erleben Träumer einen Sturm der Gefühle und Szenen jenseits aller Vernunft und taumeln "durch Szenen voller Angst und Aggression.“
Grundsätzlich sind Träume weit mehr als nur der verzerrte Widerschein des Wachlebens, für den wir sie in der Regel halten. Sie offenbaren uns, welche Vorstellungen unser Gehirn hervorbringt, sobald es "vom Dauerfeuer der Sinne verschont bleibt".
Wie Klein konstatiert, sind Träume ein Spiel mit den Möglichkeiten. Wir durchwandern in ihnen eine von uns selbst konstruierte Wirklichkeit, die wir anschließend in der Außenwelt suchen.
Träume sind auch Zeitreisen, denn im Schlaf ist es möglich, Monate, Jahre oft Jahrzehnte zurückzugehen. Unsere nächtlichen Erlebnisse schenken uns einen unverstellten Blick in die tieferen Schichten des Bewusstseins, auf jene Prozesse, die gewissermaßen unter der Benutzeroberfläche ablaufen, erläutert Stefan Klein, der auch verdeutlicht, wer im Traum wir eigentlich sind und weshalb wir bei Nacht mehr erleben als am Tage.
Der Autor äußert sich auch zum Bewusstsein, das verschiedene Schichten besitze. Dabei sei in den einfachen Träumen des frühen Tiefschlafs das Ich-Empfinden verschwunden und man könne nur Farben, Licht und andere elementare Eindrücke wahrnehmen, selten ein vereinzeltes Bild oder versprengte Gedanken. Obschon man nicht das Gefühl hat als Person anwesend zu sein.
Man lernt während man schläft. Nicht nur die Fähigkeiten erweitern sich, sondern auch der Charakter.
Interessant ist es, dass wir unsere Träume zu lenken vermögen, dabei müssen wir den sogenannten Traumkörper als Teil unserer selbst verstehen.
Kafka gilt als großer Träumer. Er hat, wie Klein schreibt, mehr als 60 Aufzeichnungen von Erlebnissen im oder an der Grenze vom Schlaf erhalten. Einige seiner Traumtexte illustrierte er auch. Offenbar lassen sich nicht wenige Künstler von ihren Träumen inspirieren. Klein erwähnt Dürer, aber auch McCartney, der die Melodie von "Yesterday" erstmals im Traum hörte und sie morgens aufnotierte. Zwischen Kreativität und Traum gibt es einen Zusammenhang, der im Buch deutlich wird.
Gedeihen kann kreatives Denken am besten zwischen Träumen und Wachen und zwar, sobald ungezügelte Fantasie auf zumindest ansatzweise kritisches Bewusstsein trifft. Dies ist der Zustand, wo originelle oder auch taugliche Ideen entstehen.
In seinem Epilog resümiert Klein, dass Träume die Welt verändern und insofern die Macht besitzen, unserem Leben eine neue Wendung zu geben. Das hängt damit zusammen, dass Träume die Leitmotive unseres Lebens verkörpern.
Der Autor hat auf den letzten Seiten einen Gedanken Fernando Pessoas einem Kapitel vorangestellt, den ich jetzt zum Ende der Rezension zitieren möchte, weil er auf wunderbare Weise, die wesentliche Aussage des Buches zusammenfasst.
"Und so, wie ich träume
Denke ich auch nach, wenn
Ich will, es ist nur eine andere
Art des Träumens."
Sehr empfehlenswert.
Helga König
Helga König
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