Selten hat mich in den letzten Jahren eine Autobiographie so sehr in ihren Bann gezogen wie Jacqueline Bakir Braders "Die Mutmacherin". Die Autorin verdeutlicht hier, wie ein Mensch gestrickt sein muss, der gegen alle Widerstände erfolgreich seinen eigenen Weg geht, indem er Probleme intelligent und mutig zu meistern versteht.
Das Vorwort zu ihrer Lebensbetrachtung hat der Textilunternehmer Kemal Sahin verfasst. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes. Seine Vita skizziert die Autobiographin zu Ende des Buches. Dort erfährt man, dass Sahin in Aachen einst ein Hochschulstudium absolviert hat und sich im Anschluss selbstständig machte, um der drohenden Abschiebung zu entgehen, weil ihm die Behörden die Arbeitserlaubnis verweigerten. Sein 1982 gegründetes Unternehmen weist heute 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz aus. Weltweit beschäftigt dieser Mann 12. 000 Mitarbeiter, zudem engagiert er sich an vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Projekten.
Auf einer Wirtschaftstagung des Verbandes türkischer Unternehmer und Industrieller in Europa lernte Jacqueline Bakir Brader diesen Mann kennen. Das war im Jahre 2011.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die türkische Migrantentochter bereits harte Jahre hinter sich gebracht. Nichts deutete in ihrer Kindheit darauf hin, dass sie später einmal eine gebildete, erfolgreiche Unternehmerin sein würde, die Migration als Chance begreift und heute anderen Mut macht, ebenfalls Erfolg als Lebensmaxime zu wählen.
In Ostanatolien geboren, wird sie mit ihrer Familie nach Deutschland übersiedeln, weil ihr Vater seit 1969 als "Gastarbeiter" in Deutschland arbeitet. In dieser Region der Türkei war es damals eher unüblich, dass Mädchen eine Schule besuchten.
Noch heute gibt es in der Türkei fünf Millionen Analphabeten, vier Millionen davon sind erschreckenderweise Frauen.
Jacqueline Bakir Brader erzählt wie sie nach Deutschland kam, welche Probleme sie als Kind und Heranwachsende in ihrer Familie hatte, weil sie die deutsche Sprache perfekt erlernen und sprechen wollte, um nicht als Außenseiterin zu gelten. Sie schreibt von ihrer Zeit am Gymnasium und dem Ärger mit ihrem Vater, der sie mehrfach körperlich misshandelte, nachdem sie sich seinen rigiden Regeln widersetzt hatte.
Die lernwillige, junge Türkin, die damals in Delmenhorst lebte, schreibt, dass man bis in die 1980er Jahre hierzulande die Migranten sich selbst überließ und diese sich deshalb eine eigene Welt schufen, die heute nicht selten als "Parallelgesellschaft" abgewertet wird.
Weil das Mädchen von ihrem Vater verboten bekam, zuhause Deutsch zu sprechen, nahm sie zunächst in der Schule am mündlichen Unterricht kaum teil. Aufgrund eines Ereignisses in der Schule, über das man im Buch Näheres erfährt, überwindet sie diese Sprachhemmung im Alter von 12 Jahren vollständig.
Das Gastarbeiterkind glänzt durch Bestleistungen am Gymnasium und hat keine Probleme, in der Clique gleichaltriger Teenager ohne Migrantenhintergrund akzeptiert zu werden. Die 16 jährige "Güller", die in ihrer Clique "Jacqueline" genannt wird, befürchtet in jener Zeit eine Zwangsverheiratung als Disziplinierungsmaßnahme ihres Vaters, als dieser von ihrer Freundschaft mit einem 17 jährigen Deutschen erfährt. Wie schon erwähnt, prügelt ihr Vater sie mehrfach. Sie flieht schließlich nach Wilhelmshaven, wo sie in der Bahnhofsmission nach Hilfe sucht und einen Nervenzusammenbruch erleidet.
Jacqueline kommt in einem Frauenhaus unter. Dort suchen übrigens alljährlich in Deutschland 45 000 Frauen Schutz. Sie besucht weiterhin die Schule und macht ein sehr gutes Abitur.
Von ihrem Vater wird sie fortan lange Zeit wie eine Aussätzige behandelt.
Sie findet nach einem missglückten Selbstmordversuch einen Weg sich nach dem Abitur weiterzubilden und zwar im Bereich Finanzdienstleistungen. Rasch macht sie Karriere und entscheidet sich in der Folge zur Selbstständigkeit. Nun gründet sie zunächst eine kleine Immobilienfirma in Wilhelmshaven.....
Wie es dann weitergeht, möchte ich hier nicht erzählen, um die Neugierde auf diesen Lebensbericht nicht zu mindern.
Ich staunte bis zur letzten Seite und staune immer noch über den Mut und den ungeheuren Biss dieser Selfmade-Frau, die gegen alle Widerstände Karriere machte, drei Firmen führt, Mutter von drei Töchtern ist, eine Krebserkrankung überwunden hat und sich darüber hinaus noch als Coach ausbilden ließ, um Seminare zu geben, die Menschen dazu verhelfen, dass sie sich Zugang zu unbewussten Kräften und Ressourcen verschaffen können, damit ihnen mehr Wahlmöglichkeiten im Erleben und Handeln zur Verfügung stehen.
Ich habe großen Achtung vor Jacqueline Bakir Braders bisheriger Lebensleistung und ihrer grandios gelungenen Integration. Diese intelligente, attraktive Frau ist eine Kämpfernatur, die die Gabe besitzt, anderen wirklich Mut zu machen, weil sie durch ihr Leben beweist, dass vieles erreichbar ist, wenn man diszipliniert an seinen Zielen arbeitet und sich nicht einschüchtern lässt, selbst von einer Krankheit nicht.
Sehr empfehlenswert.
Helga König
Das Buch ist überall im Handel erhältlich.
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