Dieses reich bebilderte Buch wurde von der Autorin Christina Hitzfeld und dem Fotografen Daniel Schvarcz auf den Weg gebracht. Zur Sprache kommen Handwerk, Design, Kunst und Tradition in St. Gallen und Umgebung.
Gleich zu Beginn kann man sich auf einer Karte kundig machen, wo die einzelnen mittelständischen Betriebe, die im Buch thematisiert werden, lokalisiert sind.
Zunächst wird man sehr gut über die Textilstadt St. Gallen informiert, die bereits im Mittelalter berühmt war für ihren Tuchhandel in der Welt. 1336 wurde die erste Ordnung für das Leinwandgewerbe in der Stadt erlassen. Sofern die Stoffe eines Händlers den Ansprüchen der Prüfkommission nicht genügten, musste die Webware sofort zerrissen werden. Auf diese Weise war der Ruf für qualitative Hochwertigkeit gesichert. Der Fernhandel durch Großkaufleute bewirkte eine erhebliche Absatzsteigerung. St. Gallen unterhielt im Ausland Handelsagenturen und betrieb die ersten regelmäßigen europäischen Postkutschenverbindungen nach Nürnberg und Lyon, (vgl.: S. 13).
Als das Leinen im 18. Jahrhundert von der Baumwolle abgelöst wurde, reagierten die St. Galler rasch auf die veränderte Marktsituation und beherrschten wenig später mit Baumwollmusselin-Stoffen den Markt. In Lyon lernten die Kaufleute zufällig wie türkische Handstickerinnen ihre Seidenstoffe bestickten. Von da an wurden die St. Galler Baumwollstoffe ebenfalls bestickt. Schon im Jahre 1790 arbeiteten 40 000 Ostschweizer Stickerinnen bei St. Gallener Handelherren, (vgl.S. 14).
Im 19. Jahrhundert wurde mit der Erfindung der Handstickmaschine und der ersten Schiffli-Maschine das Industriezeitalter eingeläutet. Von nun an standen für viele Frauen nur noch Hilfarbeiterinnenjobs zur Verfügung wie Fädeln oder Nachsticken. In Heimarbeit bestickten viele Kleinbauern St. Galler Stoffe mit Strickereimaschinen, wodurch das Geschäft mit den bestickten Textilien immer mehr boomte. Nach Absatzschwierigkeiten im letzten Jahrhundert, hat sich die St. Galler Textilindustrie erneut einen Spitzenplatz im internationalen Vergleich erarbeitet.
Im Buch werden die "Bischoff Textil AG", "Magnolia Design" näher vorgestellt, auch erfährt man Wissenwertes über das St. Galler Textilmuseum, das die Autorin als textiles Gedächtnis der Stadt bezeichnet. Im Rahmen von Wechselausstellungen im zweiten Stock werden zeitgenössische Fragestellungen rund um das Thema Textilien thematisiert.
Das Handwerk fand in St. Gallen generell goldenen Boden und ist so alt und ehrwürdig wie die Stadt selbst. Nicht zuletzt aufgrund des Benediktiner Klosters St. Gallen erblühte das Nahrungsmittelgewerbe im Mittelalter bereits. Heute arbeiten die St. Galler Handwerker für Kunden in der gesamten Schweiz, aber auch in Österreich und Deutschland. Ihre Qualitätsarbeit ist überall gefragt.
Weiter vorgestellt werden ein St. Galler Goldschmied, auch ein Parkettbodenverleger aus Teufen, ein St. Galler Möbelbauer, auch ein Metallbauer. Dieser übt gestalterisch sein Handwerk aus und zwar ganz in der Tradition des Hephaistos, nur eben neu interpretiert.
Besonders gefallen hat mir der Beitrag zu Kaspar Freulers "Trompe-l`oeil und Wandmalerei", eine Technik, die man an Innenwänden alter Schlösser bewundern kann. Freulers Motivwahl zeigt, dass er mittels mediterraner Impressionen Wohnungen ganz ungemein edel aufzuhellen vermag.
Dem Kapitel Tradition ist ein schönes Zitat vorangestellt: "Tradition pflegen heißt nicht, Asche aufbewahren, sondern Glut am Glühen halten." (Jean Jaurès, 1859-1914). Hitzfeld reflektiert in der Folge zunächst den Begriff Tradition und stellt anschließend traditionelles Handwerk vor, u.a. lernt man die Arbeit der Uhrmacherin Lisa Anderegg kennen, auch eine Silberschmiede und andere traditionsreiche Handwerke mehr.
Des Weiteren lernt man Künstler der Region kennen. Sonja Züblin aus Schwarzenbach stellt filigrane Scherenschnitte her, Agnes Walder modeliert zauberhafte Figuren und Johanna Schneider ist eine abstrakte Malerin, über deren Schaffen man im Buch Wissenswertes erfährt. Walter B. Probst kreiert wundervolle Skulpturen. Sein Atelier kann man in Sevelen aufsuchen.
In der Rubrik Design gefallen mir die Objekte von René und Ruth Kammermann besonders gut. Die Lichtobjekte vereinen die Aspekte Kunst und Licht auf beeindruckende Art.
Ein gelunges Buch, das ich gerne weiterempfehle.
Nicht zu vergessen: Die Anschriften der Handwerksbetriebe sind auf den letzten Seiten aufgelistet.
Die Stadtansichten von St. Gallen laden zum Besuch dieser zauberhaften, alten Stadt ein, die- und das macht das Buch deutlich- sich nicht in einen Dornröschenschlaf zurück gezogen hat, sondern durch mittelständische Aktivität auf sich Aufmerksam macht.
Das rezensierte Produkt ist überall im Handel erhältlich.
© 2010 Daniel Schvarcz, Umschau
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