"Leute mit vielen Netz- und wenigen Direktkontakten als "vereinsamt" zu bezeichnen, ist gleichbedeutend mit der Blindheit für die soziale Funktion des Internets." (Zeynep Tufekci, Netzsoziologin, S.225)
Die Autoren dieses Buches, Kathrin Passig und Sascha Lobo zählen zu den Pionieren des digitalen Wandels. Sascha Lobo hat übrigens derzeit 128979 Follower auf Twitter (Stand: 25.11.2012, 20.30 Uhr) und damit einen nicht hinwegdiskutierbaren meinungsbildenden Einfluss. Der Kenner der Szene weiß: "Wer zum Beispiel hunderttausend Followers auf Twitter hat, kann schnell viele Mitdiskutanten mobilisieren, Abstimmungen manipulieren, eine Meinungsfront inszenieren." (Zitat: Sascha Lobo, S. 175).
Die beiden Autoren befassen sich in diesem Buch sehr sachlich mit vielen Fragen, die sich aufgrund des Netzes, das für beide unstreitig die Welt verändert hat, ergeben haben.
Im ersten Kapitel werden Verständnisschwierigkeiten zwischen Technikoptimisten und Technikskeptikern bei Diskussionen zu Sprache gebracht. Offenbar scheint eine der verständnishemmenden Ideen die Vorstellung eines "digitalen Grabens" zu sein, der zwischen "Digital Natives" und "Digital Immigrants" verläuft. Anschließend erfährt man, dass für das Internet die Metapher von Anfang an eine große Rolle gespielt habe und dass man mit der Wahl einer solchen Metapher auch auswählt, welche Bereiche des Internets man besonders hervorhebt und wichtig findet und welche man ausblendet, (vgl.: S.41). Interessant, was man im Hinblick auf das Narrativ "Anonymität im Internet verschlechtert die Qualität der Diskussionen" lesen kann. Erwähnt wird hier eine statistische Auswertung von Disqus (dies ist eine der meistgenutzten Kommentarplattformen im Netz). Dort wurde nachgewiesen, dass konstant etwa 10 Prozent der Kommentatoren mit Echtnamen und 10 Prozent mit Pseudonym negative Kommentare abgeben, (vgl.: S.43). Offenbar ist es für Querulanten unerheblich, ob sie mit oder ohne Echtnamen ihr Mütchen kühlen.
Zu Sprache gebracht wird in der Folge der Umgang mit Erfindungen und Entwicklungen und es wird daran erinnert, dass das heute als gewissermaßen ursprünglicher und technikfreier Gegenentwurf zum Internet diskutierte gedruckte Buch einst nicht weniger künstlich als sein Nachfolger war, (vgl.: S. 59).
Kapitel für Kapitel werden Argumente genannt, die sich als nicht besonders stichhaltig erweisen, sowohl für die Pro- als auch die Kontraeingestellten im Hinblick auf die virtuellen Welt.
Hinterfragt wird u.a. , was eigentlich Fortschritt sei und was man unter "Disruption" zu verstehen habe. Von Disprution spricht man, wenn durch eine neue Technologie eine ganze Branche sich verändert. Unternehmen, die von solchen disruptiven Neuerungen profitieren möchten, müssen sich an neue Käufergruppen wenden, die in einer Innovation nicht eine schlechtere Version des bisherigen Produktes sehen, (vgl.: S.86). Alle Branchen durchlaufen Phasen der Disruption. Klug beraten ist der, der sich dem Neuen gegenüber öffnet. Was damit gemeint ist, erleben wir gerade beim Untergang der Printmedien.
Weitere Themen im Buch sind die Beschleunigung, aber auch die so genannte Informationsüberflutung. Wie sehr zutreffend unterstrichen wird, hat sich die Gesellschaft mit dem Zuwachs an verwirrenden Informationen neue Filter geschaffen, die durch persönliche Wahrnehmungsfilter ergänzt werden, (vgl.: S.112). Bewältigungsstrategien scheinen nicht notwendig zu sein, da die User des Internets ohne schlechtes Gewissen ohnehin knapp hundert 100% der Informationen an sich vorüberziehen lassen, (vgl.: S.116).
Die Überlegungen im Buch zum Grundkonflikt Kontrolle und Freiheit im Internet sollte man sich nicht entgehen lassen, damit man begreift, wie kompliziert es auch hier ist, eindeutige Antworten zu finden. Der Umgang mit persönlichen Daten im Netz und der Umgang der Personen im Datennetz miteinander werden ebenfalls beleuchtet. Im Kapitel 13 geht es um "Social Media" und hier u.a. darum, wie sich die virtuelle Interaktion auf die Beziehungen von Menschen auswirkt. Auch bei diesem Thema werden die vermeintlichen Probleme ausgewogen zur Sprache gebracht. Vorurteile, die von Seiten der Befürworter und Gegner immer wieder ins Feld geführt werden, wenn es um Internetfragen geht, werden bestens als solche entlarvt.
Wir stehen am Anfang einer großen Entwicklung, der man sich zwar nicht unkritisch, aber generell entspannt öffnen sollte, wie ich meine. Es gibt viel zu lernen. Das vorliegende Buch bietet Orientierungshilfe, um wertfrei mit dem Neuen umzugehen und es sinnstiftend zu nutzen.
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