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Rezension:Lernen im Kühlschrank: Wie wir die Lerntemperatur unseres Bildungssystems mit Emotionen erhöhen können (Taschenbuch)

Wann entsteht Wohlbefinden? Wenn es mehr intensiv erlebte positive Emotionen, Gedanken und Ereignisse gibt als negative." (Zitat: Michael Kobbeloer, S.71).

Michael Kobbeloer, der Autor dieses Buches, das keineswegs nur Eltern, Lehrer, Wissenschaftler und Politiker lesen sollten, befasst sich mit dem Thema emotionales Lernen.

Sein Werk enthält neben Eingangsbetrachtungen zehn Kapitel, in denen er seine 10 Thesen jeweils ausführlich erörtert und zum Schluss ein Fazit aus allem zieht. Jedes Kapitel beginnt mit einem oder mehreren klugen Zitaten, die den Leser bereits erahnen lassen, worum es geht und welch Geistes Kind der Autor ist, noch bevor man sich ausgiebig mit dessen Lernmethoden befasst hat.

Wie Kobbeloer hervorhebt, wird der positive Umgang mit Emotionen im Privat- und Berufsleben, beim Lernen und im Umgang mit anderen Menschen mit Erfolg belohnt, während der negative Umgang nicht selten zum Gegenteil führt. Hunderte von Emotionen bzw. emotionalen Zuständen gibt es, so der Autor. Es werden einige Basisemotionen genannt, die weitere emotionale Zustände beinhalten, zudem wird auf Stimmungen hingewiesen, die länger oder kürzer andauern als besagte Basisemotionen. Soll Bildung ganzheitlich sein, so muss man den gesamten Menschen berücksichtigen und damit natürlich auch seine Emotionen.

Ich liste an dieser Stelle zunächst die Thesen auf, um dann auf die Inhalte näher einzugehen. Diese Vorgehensweise soll Ihnen einen ersten Überblick verschaffen, worum es dem Autor konkret geht.

These 1: Die gefühlte Temperatur des Bildungssystems ist eisig 
These 2: Emotion erhöht die Lerntemperatur 
These 3: Lernende verursachen den Lernkurzschluss im Kühlschrank 
These 4: Unterkühlung- Lernende sind in emotionaler Gefahr 
These 5: Das Tiefkühlfach- Bildungsmanagement führt in emotionale Kälte 
These 6: Eltern, wärmt eure lernenden Kinder! 
These 7: Lernräume sind kalt und emotionslos 
These 8: Emotionale Kompetenz ist die "warmhaftige" Schlüsselkompetenz 
These 9: Emotionale Kompetenz von Anderen zu lernen- bedeutet den Stecker zu ziehen 
These 10: Der Lern-Kühlschrank muss abgetaut werden. 

Obschon Kobbeloer zum Schluss ein Fazit aus all seinen Thesen zieht, bietet er dem Leser nach jedem Kapitel ein Zwischenfazit zur Bewusstwerdung des Sinns seiner emotionalen Lernmethoden. Ich selbst hege an diesen Lernmethoden keine Zweifel, weil ich im Laufe meines Studiums viele Nachhilfeschüler (zumeist in Latein) zur Lernerfolgen mit entsprechenden Lernmethoden verholfen habe, d.h. die emotionalen Aspekte niemals außer Acht ließ.

Es ist schon erstaunlich, dass sich Begriffe wie "Freude", "Lernfreude" oder "Emotion" nur im Berliner Schulgesetz und in Passagen des Schulgesetzes von NRW wiederfinden, wo die Freude eine Grundvoraussetzung dafür ist, dass man sich ausgiebig mit dem Gegenstand des Lernens freiwillig befasst.

Noch immer schaffen 50 000 Kinder ihren Schulabschluss nicht, nach wie vor sei die Schule das Spiegelbild der Fabrikkultur aus dem Industriezeitalter (vgl.: S.34). Es mangele an Kreativität, Eigeninitiative und Leidenschaft, diese Eigenschaften können nur gedeihen, wenn Schüler und Lehrer sich wohlfühlen. Nur dann könne diesen neuen Fähigkeiten zum Durchbruch verholfen werden. Es geht darum, dass Schüler Ideenreichtum entwickeln, denn von diesen hängt die Zukunft der Gesellschaft ab.

Der Autor macht klar, weshalb in Emotionen stets ein Handlungsansatz vorhanden ist und erläutert, was sich im Gehirn abspielt im Hinblick auf Emotionen, zudem zeigt er, wie das Lernen im Gehirn funktioniert. Nachhaltiges Lernen ist offenbar nur möglich, wenn man den Sinn erkennt. Wer also Leistung möchte, sollte Sinn anbieten, daran jedoch mangelt es zumeist.

Kobbeloer erwähnt immer wieder Gerald Hüther, der wissenschaftlich nachgewiesen hat, dass Lernprozesse dann am besten gelingen, wenn die Lernenden erfahren, dass Bildung einen Wert hat, dass sie die Chance erhalten, die Welt aktiv mitzugestalten, dass sie Freiräume erhalten, kreativ zu sein, dass sie nicht überfordert werden, dass sie Schwierigkeiten und Probleme selbstständig zu lösen vermögen und auch mit dem jeweiligen Bedürfnissen und Wünschen wahrgenommen werden. Offenbar hängt dies alles damit zusammen, dass das Gehirn am besten funktioniert, wenn es Probleme lösen darf, (vgl.: S. 60).

Man erfährt in der Folge wie man erfolgreich emotional lernen kann und wundert sich eigentlich, weshalb sich diese sinnstiftenden Methoden noch immer nicht überall herumgesprochen haben. Der Autor erläutert was die Schulunlust steigert und was die Zusammenarbeit mit Schülern verbessert, schreibt über Stress, Angst, Gewalt und Schulverweigerung. Wie überall, wo etwas gut gedeihen soll, ist Vertrauen und damit Angstfreiheit und ein gutes Klima notwendig.

Aufgelistet sind u.a. acht Faktoren der emotionalen Selbstwirksamkeit von Erzieherinnen und Erziehern, die man als Erziehender wirklich selbstkritisch beleuchten sollte und genannt werden zudem die fünf Regeln (nach Andreas Zeuch), wonach sich Unternehmen und wohl auch Schulen garantiert auf Misserfolg programmieren. Für den Autor ist es keine Frage, dass Emotionen aus der Tabuzone in Schulen herausgeführt werden müssen, denn nur so ist eine Veränderung zum Positiven möglich.

Auch Eltern sollten sich um emotionale Kompetenz bemühen, die für das Familienklima notwendig ist. Es ist einfach klar, dass emotional intelligente Eltern Vorteile beim Lernen in der Schule bieten können. Um wirklich erfolgreich lernen zu können, benötigt man ein liebevolles, ausgeglichenes, motivierendes Umfeld. Nicht grundlos erwähnt  Kobbeloer Stanley Greenspan, der den zielführenden Satz formulierte "Bindung geht Bildung voraus", (S.125). Es geht um emotionale Stabilität. Diese entsteht, wenn Gefühle gezeigt werden dürfen und Eltern emotional kompetent sind.

Der Autor schreibt u.a. auch über Lernräume, die nicht kalt und emotionslos sein sollten und führt Aspekte, die den räumlich-emotionalen Bildungsraum prägen, an. Die vier Säulen des Konzepts "Bauen für Geborgenheit" überzeugen mich, ebenso wie die vielen realistischen Verbesserungsvorschläge, die in dem Buch angeführt werden.

Es ist einfach wahr, dass die emotionale Kompetenz die "warmhaftige" Schlüsselkompetenz darstellt. Der Zustand des Flow ist erreichbar für alle Schüler, wenn die emotionalen Bedingungen stimmen. Gezeigt wird, was geschieht, wenn die emotionale Kompetenz nicht vorhanden ist und auch wie sich meta-emotionale Lehrende verhalten. Es geht darum, Gefühle anderer zu entschlüsseln und zu verstehen, achtsam zu sein und zu motivieren.

Jeder, der einen Funken emotionales Gespür aufweist, begreift sofort, dass man die Neugierde und Lernfreude von jungen Menschen nur dann wirklich stärken kann, wenn ein emotionsgünstiges Schul- und Klassenklima vorhanden ist. Lachen und Humor fördern Kreativität und Fantasie und diese ist für eine erfolgreiche Zukunft jedes Einzelnen und der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ungemein wichtig, weil ansonsten nur die Kreativität des Gestern verwaltet wird und was dies für uns alle bedeutet, dürfte klar sein.

Ein gelungenes Buch, dessen detailreiche Tiefe man in einer Rezension leider nicht ausführlich darstellen kann.

Sehr empfehlenswert.

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Rezension: Ich war doch nicht blöd- Walter Gunz

Hätte ich in einer Buchhandlung einen Blick auf das Cover dieses Buches geworfen, wäre ich nicht motiviert gewesen, mich mit dem Inhalt näher zu befassen, sondern hätte stattdessen meine Vorurteile genüsslich gepflegt, vielleicht noch eine zynische Bemerkung gemacht und mich alsdann anderen Büchern zugewandt, solchen beispielsweise, die philosophischen und spirituellen Inhalt bereits aufgrund des Covers vermuten lassen. Der Satz "Ich war doch nicht blöd" lässt alles Mögliche vermuten, nur nicht das, was das Buch tatsächlich ist: Eines der besten Bücher, die ich trotz jahrzehntelangem Viellesen kennen lernen durfte. Eine Verpackung, die abschreckt und dabei besten Inhalt verbirgt, lässt mich an den Froschkönig denken und hat eine Lektion aufgefrischt, die ich als Kind schon gelernt, aber beinahe vergessen hatte. 

Eine Bekannte hat mich auf diesen geistigen Schatz aufmerksam gemacht. Er ist ein Mix aus philosophischem, religiösem und pragmatischem Denken und erinnert an Texte griechischer, römischer aber auch fernöstlicher Philosophen, dann aber auch an betriebswirtschaftliche Texte, bleibt aber  selbst hier letztlich philosophisch und spirituell. 

Der Autor Walter Gunz ist ein belesener, sehr nachdenklicher Mensch, dass er zudem ein überaus erfolgreicher Unternehmer ist, zeigt die Bandbreite dieses Mannes, dessen Gedankenwelt mich wirklich sehr fasziniert. Sein Buch beginnt er mit der Frage, wer oder was das Selbst sei und listet in der Folge erst einmal die Quelle seiner Inspiration auf. Als ich die Liste studierte, wurde ich immer neugieriger auf das Buch, weil mir viele der Denker nicht unbekannt sind und ich zu einigen Schriften dieser Autoren bereits Rezensionen verfasst habe. In welcher Weise sie Walter Gunz inspiriert haben, wollte ich nun genau wissen. 

Der Autor betont, dass er sein Werk nicht als Biographie eines erfolgreichen Managers gedacht habe, sondern dass er vielmehr eine ideelle und spirituelle Initialzündung weitergeben möchte, (S.24). Gunz schreibt von Begegnungen mit Menschen, die ihn spirituell geprägt haben, scheut sich nicht, seine religiöse Geisteswelt vor dem interessierten Leser auszubreiten und durch eine Fülle von klugen Sätzen näher zu bringen. Ich nicke sofort als ich lese, "Liebe und Barmherzigkeit sind die wesentlichen Säulen aller Weltreligionen" und werde immer neugieriger auf das, was mich auf den kommenden Seiten erwartet. Da ist beispielsweise die Frage, ob Erfolg planbar sei. 

Gunz, der 1979 mit zwölf Mitarbeitern sein Unternehmen begann, das 2013 dann 60. 000 Mitarbeiter zählte, wird gewiss eine Antwort darauf haben, dachte ich und fand seine Antwort überzeugend. Man müsse seinen Erfolg teilen können, wenn es ein großer Erfolg werden soll und Kreativität müsse an oberster Stelle stehen, alle Beteiligten müssen das Spielen erneut lernen, "jeder Angestellte eines Unternehmens sollte seine Ideen mitteilen dürfen", weil in jedem der Entdeckergeist geweckt werden solle,(S.44). Genau. 

Nach Auffassung von Gunz existiert nämlich bereits schon alles, was uns einfallen könnte und zwar in der Welt der Ideen. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Ideen im Hier und Jetzt zu heben. Gemeinsam. 

Für Gunz ist klar, dass die Fokussierung auf die materiellen Fakten bei gleichzeitiger Vernachlässigung der ideellen Domäne erfolgsmindernd wirkt, weil es dann an Spirit und Intuition mangelt. Auch Handeln aus reiner Pflichterfüllung und nicht aus dem Herzen heraus ist wertlos, so der Autor und es gibt noch eine Reihe anderer Sachverhalte in puncto Erfolg, die er festhält. Zitieren möchte ich hier nachstehende Zeilen: "Erfolg und Macht betrachten wir gerne als Krönung unseres Schaffens. Doch Vorsicht! Die beiden stellen uns vor eine große Prüfung, die wir charakterlich meist nicht unbeschadet bestehen..(...)...Nicht umsonst gilt als gefährlichste Eigenschaft Mephistos die Überheblichkeit. Zwei große Prüfungen des Lebens führen demnach häufig zum Absturz des Menschen: die Prüfung durch den Erfolg und die Prüfung durch die Not." (S.50).

Natürlich schreibt Gunz auch immer von seinen Erfahrungen mit seinen geistigen Kindern "Media Markt" sowie "Saturn" und vergisst nicht zu erwähnen, dass bei aller Arbeit und kreativen Leistungen auch sein Erfolg nur möglich war, weil Fortune ihm hold gewesen sei. Er artikuliert auch, worin erfolgreiche Führung besteht und sagt, sie orientiere sich an Potentialen, blicke nicht zurück, lebe im Jetzt und gestalte aus der Vision die Zukunft. Wir alle seien mit der Quelle der Schöpfung verbunden. Worauf es ankomme, um die Verbindung wahrzunehmen, erfährt man dann auch.(S.65) 

Als Eigenschaften, die im Alltag wichtig sind, um erfolgreich zu sein, nennt er: Achtsamkeit, Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen, Abschied vom Ego, Glaube an das Selbst in mir, Liebe, Hoffnung, (S.68). 

Gunz hält nichts davon, Böses zu brandmarken, denn er weiß, dass es dann auf Rache sinnt. Diese Erkenntnis hat er von Lao-Tse übernommen, wie er anführt. Eine offenbar sehr kluge Erkenntnis. Führen aus Vision ist ein Thema im Buch, insofern auch die Reflektion von Leader-Qualitäten und irgendwann lese ich den Satz "Jede starke Abhängigkeit von der äußeren Welt erzeugt starke Angst, dass wir entweder nicht bekommen, was wir haben wollen, oder verlieren, was wir schon gewonnen haben." (S.80). Daraus muss man seine Schlüsse ziehen. 

Glück und Sinnfragen beschäftigen den Autor und er erinnert sich gerne an Prof. Friedrich Weinreb, der ihm viel vermitteln konnte. Hier erwähnt er das Buch "Der göttliche Bauplan der Welt", das mich neugierig macht. Visionen sind die Voraussetzung für Schöpfungsakte. Die Mystik bestehe darin, dass durch Bündelung seiner Gedanken auf eine konkrete Idee, diese Idee zur materiellen Verwirklichung führe. Wie das funktioniert, zeigt Gunz auch an einem schönen visuellen Beispiel. 

Der Autor lässt den Leser nicht über die Hintergründe seiner Werbeslogans im Ungewissen, wobei ich den Slogan von Saturn ("Geiz ist geil") für mehr als nur bedenklich halte. Nach meiner Ansicht passt er nicht zur Geisteswelt von Gunz, aber Slogans sind bekanntermaßen das Denkergebnis von Marketingleuten. Kann man bei aller Griffigkeit eines Slogans jeden Slogan nutzen, auch dann, wenn er ethisch fragwürdig ist? 

Dann lese ich später seine Ausführungen zu Geld und wie man dazu kommt. Geízig scheint Gunz nicht zu sein, aber er weiß, dass man ohne Wertschätzung des Geldes zu diesem nicht gelangen kann (S.157) und überzeugt durch seine Betrachtungen, auf welche Weise Menschen mit Geld umgehen und zu angemessenem Reichtum kommen."Was man mit Liebe weggibt, kommt auch wieder zurück. So bleibt das Geld im Fluss." (S.160). 

Er erläutert, was zu tun ist, dass Niederlagen in der Folge nicht zu einer Abwärtsspirale führen, reflektiert Dämonen wie Angst, Verleumdung, Hochmut, Habenwollen etc und so vieles andere mehr, kommt immer wieder auf das Buch "Alles Boulevard" von Mario Vargas Llosa zu sprechen, das ich auch rezensiert habe und ist sich völlig darüber im Klaren, dass Angst und Neid Energieräuber sind. Er weiß, dass dort, wo Hierarchie und Angst regieren, wertvolle Ressourcen und Ideen, Kraft und Zuversicht vernichtet werden und weil er das offenbar schon sehr lange weiß und viel Demut besitzt, deshalb auch kann er aus Erfahrung sehr tiefsinnig über Erfolg und so vieles andere, wonach Menschen streben, schreiben, vor allem über die Liebe, die Walter Gunz in allem, was er tut, antreibt.

Empfehlenswert.

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Rezension: Die Freimaurer- Michael Kraus

Goethe war übrigens Freimaurer und Mozart ebenfalls.

Dr. Michael Kraus ist der Großmeister der Großloge von Österreich. Seit 27 Jahren gehört er den Freimaurern an. Er ist der Herausgeber dieses Buches, in dem erklärt wird, was man unter so genannten Freimaurern, auch unter deren Logen zu verstehen hat, seit wann es das Freimaurertum gibt, welches Menschenbild man dort präferiert und welche Werte im Vordergrund stehen.

Gleich zu Beginn wird verdeutlicht, dass Personen, die in die Loge kommen und primär dort die Geselligkeit suchen,  fehl am Platz sind. Erwartet wird Logenarbeit. Wie diese aussieht wird auch aufgezeigt. Die Freimaurerei ist kein philosophisches System, sondern ein humanes Verhaltensmuster für die menschliche Gesellschaft, das freimauerische Menschenbild dabei grundsätzlich verbindend, integrierend und ausgleichend angelegt. Eng mit dem freimaurerischen Menschenbild verbunden ist die Idee der Humanität, in der Sprache der Freimaurerei "allgemeine Menschenliebe" genannt. Humanität soll der Freimaurer in der Loge und im profanen Leben erleben, indem er sich als Mensch unter Menschen zu begreifen versteht und von dem, was er an sich selbst erfährt, auf die Menschheit schließt. 

Die Humanität beginnt beim Freimaurer mit der Erkenntnis seiner eigenen Leidenschaften, Wünsche und Sinnfragen. Sie wird grundsätzlich bestimmt von der Idee, dass der Mensch besserungsfähig ist, als von einer genauen Kenntnis des Guten. Es werden Gedankenverbindungen zwischen Freimaurerei und Aufklärung aufgezeigt und es wird der Aufklärungsbegriff definiert, um schließlich auf das eigentliche Ziel der Freimaurer abzustellen: Alle Freimaurer sollen gleichsam an einem Werk- dem Haus für alle Menschen- arbeiten, das nie einen Abschluss findet. In der Diktion der Freimaurer ist das die (Wieder)-Errichtung des "Tempels Salomonis", also die nie endende Arbeit an einer Aufenthaltsstätte, die allen Menschen wohnlich ist und bei dem das Ganze und seine Teile im harmonischen Einklang stehen. 

Toleranz ist der Grundwert der Freimaurer. Er bedeutet die Bejahung von Humanität, Freiheit und Gleichheit. Gradmesser für die Freiheit und Toleranz in der Gesellschaft ist, so der Autor, häufig wie man mit Freimaurern umgeht. Nicht selten wurden diese in der Geschichte verboten oder gar verfolgt. In der Folge wird wird von den Pflichten der Freimaurer gesprochen, die sich auf das Streben nach Wahrheit, Toleranz, Brüderlichkeit und die Achtung der bürgerlichen und maurerischen Gesetze sowie auf die Verschwiegenheit beziehen. Ferner sind für ihn die Dombauhütten als gedanklicher Ursprung der Freimaurerei ein Thema . Rituale und Symbole der Freimaurer werden näher erläutert und es wird dargelegt, was man unter einem "Baustück" zu verstehen hat. Auf Fotos in der Mitte des Buches darf man u.a. den "rauhen Stein", Symbol eines unvollkommenen Menschen, verschiedene Tapise, die "Großen Lichter" der Freimaurerei samt Schwert, dem Zeichen des Großmeisters, wie auch die Gegenstände der "Schwarzen Kammer" betrachten. Auch wird angesprochen, wie die Freimaurerei zur Religion, zur Politik und zu wirtschaftlichen Aspekten, wie etwa zur Globalisierung und zum Neoliberalismus steht. 

Ein spezielles Kapitel ist der Entwicklung der Freimaurerei in Österreich gewidmet, um schließlich zu verschiedenen Missverständnissen und zum Missbrauch in der Freimaurerei Stellung zu nehmen. Aufgeräumt wird mit der Idee der freimaurerischen Weltverschwörung, Stellung genommen wird zu Templern, Illuminaten und Rosenkreuzern. Man liest von  Schwindlern, Gauklern und Skandalen in vergangenen Zeiten, so auch über die Machenschaften des Grafen von Cagliostro und verdeutlicht wird nochmals, dass die Grundideen der Freimaurer immer die Ideale der Humanität, Toleranz, kosmopolitische Ausrichtung und Brüderlichkeit waren und es heute noch sind. 

Es wird nicht verschwiegen, dass in der regulären Freimaurerei keine Frauen zugelassen sind. Begründet wird diese Tatsache historisch und es wird unterstrichen, dass dies nichts mit Frauenfeindlichkeit oder Geringschätzung der Frauen zu tun hat.

Ich selbst habe - trotz des Ausschlusses von Frauen - kein Problem mit diesem Männerbund, da dessen Zielsetzungen positiv und alles andere als rückwärtgewandt zu sein scheint. Die fortschrittlichen Freimaurer werden in ihrem "Tempel Salomonis" sicher ein schönes Plätzchen für uns Frauen bereithalten. Da bin ich mir ziemlich sicher. 

Empfehlenswert.



Rezension: Alle Menschen sind gleich - erfolgreiche nicht: Die verblüffenden kulturellen Ursachen von Erfolg (Gebundene Ausgabe)

Amy Chua und Jed Rubenfeld haben ein bemerkenswertes Buch verfasst, das sich mit den kulturellen Ursachen von Erfolg näher auseinandersetzt. Das Werk wurde aus dem Englischen von Ulrike Bischoff übersetzt.

Amy Chua, der Inbegriff einer Karrierefrau, ist die Tochter chinesischer Einwanderer. Jed Rubenfeld stammt aus einer jüdischen Familie. Beide sind Juraprofessoren in Yale, miteinander verheiratet und zählen zur amerikanischen Elite.

Das Buch bringt nicht nur den Aufstieg, sondern auch den Niedergang von Bevölkerungsgruppen zur Sprache. Dabei gehen die Autoren davon aus, dass drei Kräfte ursächlich für den Aufstieg und Erfolg der Gruppe und der Gruppenmitglieder sind. Es wird keineswegs unerwähnt gelassen, dass diese Kräfte auch pathologische Züge beinhalten. Bei dem Dreierpack handelt es ich um die Elemente: Überlegenheitskomplex, Unsicherheit und Impulskontrolle. In der modernen US-Kultur sind diese Elemente nicht enthalten, insofern ist es nicht verwunderlich, dass die erfolgreichsten Gruppen der amerikanischen Gesellschaft "auf die ein oder andere Weise Außenseiter sind." Das gilt übrigens nach meinen Beobachtungen auch in unserer Gesellschaft, wo der Leistungsgedanke leider über Bord geworfen wurde und durch Korruptionsgedanken und dergleichen mehr ersetzt worden ist.

Wie auch immer, jedes Element, so die Untersuchungsergebnisse, bringt- das ist der Preis für den Erfolg- gewisse Pathologien hervor. So ist von Neurosen unsicherer Menschen die Rede, auch von dem Moment, dass Triebversagung, die die Fähigkeit untergraben kann, das Schöne, die Ruhe und den Moment zu erleben. Dann ist da noch der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe, die Arroganz, Vorurteile etc. fördern kann.

Ist der Dreipack Bestandteil einer Kultur, konzentriert sie sich tendenziell auf materiellen, konventionellen und prestigeträchtigen Erfolg, so die Autoren. Motiv ist die Unsicherheit, die sie antreibt und daraus herrührend, der Drang der Welt etwas beweisen zu müssen oder auch die Angst den Angehörigen nicht genug auf den Tisch bringen zu können, weil man ein Außenseiter ist.

Gezeigt werden in diesem Buch die kulturellen Gemeinsamkeiten der erfolgreichsten Bevölkerungsgruppen in den USA, auch ihr Werdegang über mehrere Generationen hinweg und ihre Pathologien. Interessanterweise geraten Gruppen, die es zum Dreierpackerfolg bringen, irgendwann in einen schöpferischen Zerstörungsprozess, der sie “unwiderruflich verändert“. Dies geschieht, indem sie gewissermaßen Bestandteil anderer Gruppen wird durch Heirat etc. oder aber irgendwann in der Generationenfolge die Elemente verliert. Wohl an erster Stelle die Impulskontrolle, gefolgt von der Unsicherheit. Soweit ich es beurteilen kann, ist Impulskontrolle das A und O für Erfolg, egal wo man lebt und in welcher gesellschaftlichen Gruppierung man hineingeboren ist.

Nachdem man im Einzelnen liest, welche Bevölkerungsgruppen, in den USA erfolgreich sind, werden die drei eingangs bereits genannten Elemente näher beleuchtet. Mich interessiert seit Jahren das Phänomen der "Impulskontrolle" besonders, weil ich von Kindesbeinen an beobachten konnte, dass bei Menschen, die diese kaum besitzen, ein erfolgreiches Leben nicht möglich ist. Verzichten zu können und konsequent zu arbeiten, anstelle sofort zuzugreifen und sich in die Hängematte zu legen, bedürfen einer bestimmten Grundmotivation. Dass Menschen, die seit Generationen in der Sahne hocken, diese nicht haben können, leuchtet ein.

Die Autoren nennen Forschungsergebnisse der führenden Sozial- und Entwicklungspsychologen wie Roy Baumeister sowie Carol und Angela Duckworth, wonach die Fähigkeit Versuchungen zu widerstehen- speziell der Versuchung aufzugeben, wenn eine Aufgabe anstrengend wird, entscheidend für den Erfolg ist. Tests schon bei Kindern zeigen immer wieder, dass Impulskontrolle der eigentliche Motor für Erfolg darstellt.

Für den Fortschritt, so die Autoren, ist die Impulskontrolle, möglicherweise das wichtigste Element. Menschen mit Dreierpackkonstellation, die Gruppen mit Dreierpackkonstellationen entstammen, werden in der Regel ermuntert oder auch gedrängt, hart zu arbeiten und nach oben zu streben, Menschen mit Dreierpackkonstellation ohne Gruppenrückendeckung können hingegen nur aus ihren eigenen Ressourcen schöpfen oder erfahren sogar Verachtung ihrer Gruppenmitglieder, wenn jenen der Biss zum Erfolg fehlt.

Bill Gates, Zuckerberg und Steve Jobs zählen zu den schwerst arbeitenden und auch getriebensten Menschen ihrer Generation, urteilen die beiden Yale-Professoren. Ihr Erfolg sei nur möglich, weil sie viel arbeiten und Fähigkeiten leben, die notwendig sind, um so erfolgreich zu sein.

Die Autoren sind sich sicher, dass es in den USA auf Dauer keine erfolgreichen Gruppen, wie im Buch beschrieben, mehr geben wird, sondern nur noch erfolgreiche Individuen.

Für Einzelwesen, die für ihren Erfolg überdurchschnittlich viel arbeiten, wird es zukünftig nicht einfacher werden, so meine Vermutung, weil Neid und Missgunst ihrer Mitmenschen dafür sorgen werden, dass sie noch mehr Impulskontrolle aufbauen müssen. Was hier allerdings hilft ist Resilienz. Diese sollte man als erfolgsorientierter Mensch täglich üben, um "sein Ding" durchzuziehen.

Sehr empfehlenswert.

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Rezension:Eidesbruch: Ärzte, Geschäftemacher und die verlorene Würde des Patienten (Gebundene Ausgabe)

"Wo das Bewußtsein schwindet, dass jeder Mensch uns als Mensch etwas angeht, kommen Kultur und Ethik ins Wanken. Das Fortschreiten zur entwickelten Inhumanität ist dann nur noch eine Frage der Zeit." 
(Albert Schweitzer).

Dr. med. habil. Michael Imhof ist selbstständiger Gutachter für medizinische Behandlungsfehler. Zuvor war er an der Chirurgischen Universität Würzburg tätig und dort auf Tumorchirurgie spezialisert.

In seinem neuen Buch "Ärzte, Geschäftemacher und die verlorene Würde der Patienten" bestätigt er all das, was ich schon seit langem vermute. Geldgier, Korruption und Habsucht hat zu den ethischen Dammbrüchen in der Medizin geführt. Wie sich diese darstellen, thematisiert Dr. Imhof u.a. in seinem Werk, das sich nicht für Muse-Stunden eignet.

Der Autor hat sein Buch in drei große Teile untergliedert 
It from bit: Innenansichten der modernen Medizin 
Die sieben Todsünden der modernen Medizin 
Die moderne Medizin- ein Abgesang und ein Aufruf 

Ich muss zugeben, dass ich zunächst zögerlich den ersten Teil des Buches gelesen habe, weil ein sehr guter Studienfreund derzeit schwer an Krebs erkrankt ist und ich von dem entsetzt bin, was ich bei Imhof lese. Weltweit erkranken jedes Jahr etwa zehn Millionen Menschen an Krebs. Imhof schreibt, dass sich bis 2030 die Zahl auf 26 Millionen erhöhen soll und dann 17 Millionen Menschen im Jahr an Krebs sterben. Noch immer gebiete die Macht dieser Krankheit Demut. Nach wie vor werden die Patienten zum Großteil mit Medikamenten behandelt, die nicht wirksam sind. Nicht selten sind die Patienten hinterher kränker als zuvor. Es sei das unüberschaubare komplexe Zusammenspiel von oftmals Hunderten von Mutationen, die die Biodynamik des Tumorwachstums und insofern auch sein mögliches Ansprechen auf eine spezifische Therapie bestimmen, (vgl.: S.25).

Dr. Imhof schreibt nicht nur über die Sprachlosigkeit der modernen Medizin und über den Menschen im dortigen neuen Weltbild, sondern bringt sehr dezidiert die sieben Todsünden der modernen Medizin zur Sprache, dabei beginnt er mit der Kommerzialisierung von Krankheit und Leiden und zeigt wie das Krankenhaus als Profit Center agiert. In deutschen Krankenhäusern herrscht Wettbewerb, Ökonomisierung und Gewinnsteigerung. Ursache hierfür ist das DRG-System. Was darunter zu verstehen ist, wird im Buch genau erläutert. Aus Zeitgründen sind Ärzte nicht in der Lage, sich ein Gesamtbild über die Krankheit zu verschaffen. Anstelle von einer individuellen Ermittlung eines Zustandes des Patienten treten Datensammlungen, die nur fragmentarisch die Einzelsymptome abbilden, auf. Das Gesamtbild aber bleibt unklar. Die Patientenbeziehungen sind ökonomisch gestaltet. Die Realität des Patienten findet jenseits des Geschäftes weder Raum noch Sinn, (vgl.: S.74).

Es ist bedauerlich, dass man nicht auf alles in diesem faktenreichen Buch im Rahmen der Rezension eingehen kann, so etwa auf die Hygieneskandale als Folge von Budjetierungszwängen. Gier herrscht allerorten. Die Rede ist von Goldgräberstimmung in der Krebsmedizin. Selbst Krankenhausapotheken fallen durch stark erhöhte Rechnungen für privat versicherte Krebspatienten auf. Man liest von 90 % Zuschlagsregelung, aber auch den unverschämten Beutezügen der Pharmaindustrie. Der Gesundheitsökonom Karl Lauterbach schreibt Deutschland sei der "Pharmamülleimer Europas", (S.101), woran ich nach der Lektüre dieses Buches keinen Zweifel mehr habe.

Abgehandelt wird Habsucht am Beispiel von Anwendungsbeobachtungen, auch an den Maßlosigkeiten der Vorstandsetagen. Von Korruption ist die Rede, der eigentlichen Pest der letzten 15 Jahre in unserem Land, von gefälschten Studien, Betrugsfällen, auch von Organspendeskandalen und nicht zuletzt von überflüssigen Operationen. So sollen beispielsweise 85% der operativen Eingriffe bei Patienten mit Rückenbeschwerden nicht notwendig sein. Auch Deutschlands Orthopäden habe die Operationswut heimgesucht. All dass und die vertuschten Behandlungsfehler bestätigen meine Skepsis im Hinblick auf die Götter in Weiß, denen ich nach Möglichkeit aus dem Weg gehe, trotz utopischer Krankenkassenbeiträge.

Über den Mangel an Mitleid, auch über Hochmut und Machbarkeitswahn und den absurden Traum der ewigen Jugend medizinisch erzeugen zu können, schreibt der Autor ebenfalls packend.

Ein Buch, das wütend macht und aufrüttelt. So kann es nicht weitergehen. Umdenken ist angesagt. Die Gier höhlt alles Systeme der Gesellschaft aus, nicht nur unser Gesundheitssysthem.

Empfehlenswert.

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http://www.campus.de/

Rezension:Curnonsky oder das Geheimnis des Maurice-Edmond Sailland ( Inge Huber)

Der genussbejahende Fürst der Gastronomen

Wie man dem Klappentext dieses bemerkenswerten Buches entnehmen kann, erwarb die Autorin Inge Huber vor sieben Jahren eine Pariser Bibliothek. Als sie deren Bestand sortierte und ordnete, entdeckte sie den verschollen geglaubten Nachlass von Maurice Edmond Sailland, bekannt unter dem Namen "Curnonsky".

Den Namen Curnonsky kannte ich bereits aus Gert von -Paczenskys Buch "Leere Töpfe, volle Töpfe"- Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens", das ich vor 16 Jahren voller Begeisterung las. Dort ist ein Bild des "Fürsten der Gastronomen" abgelichtet. Viel erfährt man über Curnonsky allerdings nicht.

Im vorliegenden Buch, das viele hübsche Fotos von Curnonsky, seinen Freunden und Geliebten enthält, erfährt man gleich zu Beginn wie Sailland zu seinem Pseudonym kam. Man liest über seine Kindheit und seine stürmische Jugend. Seine Großeltern besaßen eine "gigantische" Bibliothek, die für ihn als Kind stets ein abenteuerlicher Aufenthaltsort gewesen war, (vgl.: S. 30). Später besuchte er ein Internat, bestand sein Abitur als Eliteschüler des Collége Saint Maurille und entschied sich für das Studium der Literatur.

Curnonsky war ein Vielleser und entpuppte sich sehr schnell als brillanter Schreiber. In Paris hatte er alsbald mit den Intellektuellen Kontakt. Sein Interesse für alle Sinnesgenüsse erwachte jetzt und er war neugierig genug, das, was er kennen lernte, ausgiebig zu goutieren.

Man liest von seinen Erkundungen in den "Alten Hallen"- dem so genannten Bauch von Paris. In diese Gegend soll es ihn immer wieder gezogen haben. Er fühlte sich zu Hause in den Restaurants der Boheme, im Hallenviertel, dem "Carreau des Halles", aber auch in den Straßen von Montmartre.

Colette lernte er in einem der Pariser Salons kennen. Sie wurde eine sehr gute Freundin und er offenbar ihr erster Lektor. Zu diesem Zeitpunkt schrieb Curnonsky Pariser Stadtgeschichten. Man schätze diese niemals verletzenden Geschichten, die wie Huber schreibt, stets elegant, versöhnlich-humorvoll und großherzig angelegt waren.
Curnonsky war beliebt bei den Intellektuellen. Sie mochten seine scharfe, dabei aber gutmütige Intelligenz. Auch Freunde von Oscar Wilde besuchten ihn. Diese kamen immer in Begleitung der Mädchen des "Moulin Rouge", die ihnen nackt und sirenengleich die Getränke sowie ein raffiniert arrangiertes Nachtmahl reichten,(vgl.:S. 76). So entwickelte sich Curnonsky zu einem Lebemann, der oft Champagner aber mit Toulouse-Lautrec auch Absinth trank.

Die Künstlerkolonie Barbizon ist ein Thema. Das war eine kleine Malerkolonie am Rande des Waldes von Fontainebleau, wo die Kreativen unter sich waren. Curnonsky verehrte die Arbeiten der Künstlers Nadar. In Nadars Atelier lernte er übrigens Sarah Bernhardt kennen. Ich möchte an dieser Stelle nicht über all die Frauengeschichten berichten, über die man im Buch mancherlei Pikantes erfährt, sondern stattdessen Curnonskys umfangreiche Tätigkeit als Ghostwriter erwähnen, die ihm, wie anderen "Négres" schnell verdientes Geld für seinen nicht unaufwendigen Lebensstil einbrachten. In fast allen Pariser Illustrierten schrieb Curnonsky große und kleine Artikel unter circa zehn verschiedenen Pseudonymen (vgl.: S.116) und dann entdeckte er als einer der ersten Journalisten das Automobil als eine wichtige Errungenschaft des Jahrhunderts, wie man einem kleinen im Buch enthaltenen Originaltext entnehmen kann, (vgl: S. 116).


Curnonsky reiste als Reisereporter 1902 nach Indochina. Über seinen Aufenthalt dort berichtet Huber ebenso kurzweilig wie über das Firmenlogo von Michelin, dem Reifenmännchen "Bibendum", ein Geistesblitz Curnonskys. Man liest von der Freundschaft zwischen den Gebrüdern Michelin und dem intellektuellen Lebemann sowie über den Auftrag, den er von den beiden erhielt, mit einem weich gefederten und bequemen Auto als erster Gastrokritiker besonders empfehlenswerte, noch unbekannte Restaurants im Lande aufzuspüren und sie montags im Magazin "Bibendum" unter dem Pseudonym "Bibendum" zu veröffentlichen. Im Heft Nr. 631 setze Curnonsky seinen eigenen Namen unter seinen Artikel. Welche Folgen das hatte, können sie dem Buch entnehmen......

Nach dem 1. Weltkrieg machte sich Curnonsky seine großen Verehrung von Jean Anthelme Brillant-Savarin, dem Meisterkoch und Philosophen des Jahrhunderts bewusst. Er las dessen Werke und erkannte seinen neuen Auftrag. Über die Umsetzung des Auftrags erfährt man dann in der Folge Näheres. Soviel nur: In Zusammenarbeit mit Marcel Rouff entstand der 28 bändige Gastronomieführer "La France Gastonomique".

Curnonsky blickte am Ende seines langen Lebens als der bedeutendste Gastronomiekritiker auf ein erfülltes kulinarisches Wanderleben zurück und war nicht ohne Stolz Träger vieler Auszeichnungen sowie Ehrenurkunden und Präsident einer großen Anzahl gastronomischer Verbände und Clubs. Natürlich spricht Huber auch über seinen Tod im Jahre 1956. Bei einem solch lebensbejahenden, sinnesfrohen Menschen das Ableben zu erwähnen, ist mir fast unmöglich. Ich sehe ihn inmitten netter Menschen, plaudernd, mit schönen Frauen flirtend, ihnen zuprostend, die feinsten Speisen genießen und währenddessen fast spielerisch spritzige Texte über das Geschehen aufnotieren.

Ein interessantes Buch über einen interessanten Mann.
Lobend erwähnen möchte ich, dass man sich immer wieder an Orginaltexten erfreuen kann.

So beginnt Colette einen einen sehr schönen Brief mit den Worten "Lieber Cur, stimmt das, das wir Achtziger sind?".. und lässt diesen Brief mit den Zeilen enden.. "Ich wende mich dir in herzlicher Freundschaft zu, lieber Cur, der du dich wenig geändert hast: seit meinem ersten Roman bist du allein mir erhalten geblieben. Colette"

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Vorwort Curnonskys zu den 28 Bänden " La France Gastronomique":

"Wir haben Sie gebeten, uns ihre Erfahrung mitzuteilen, über die uns unbekannten Restaurants, Hotels und Cabarets und uns ihre Spezialitäten und Menüs mitzuteilen.  Dieser Appell  an das Publikum war unsere beste Garantie für unsere Unparteilichkeit. So können sie, die Leser sicher sein, das in unseren Berichten,  nicht die geringste Werbung versteckt ist.........und sämtliche Berichte auf einer persönlichen Erfahrung beruhen."

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