Noch nie hat der Islam so viel Aufmerksamkeit, aber auch Ablehnung hierzulande erlebt, wie zuletzt, als durch die Wirren und Kriege im Nahen Osten sich Millionen von Menschen auf den Weg nach Mitteleuropa und hier ganz besonders nach Deutschland gemacht haben. Der überwiegende Teil dieser Personen sind als Araber islamischen Glaubens. Um zu verstehen, was es mit dem Islam und dem arabischen Weltreich auf sich hat und wie dieser Glaube entstanden ist und wie er sich explosionsartig über die ganze Welt verbreitet hat, dazu hat der britische Historiker Professor Tom Holland dieses sehr aufschlussreiche und überaus informative Buch mit dem Titel "Mohammed" veröffentlicht. Um ein solches Werk zu verfassen und noch viel wichtiger, es einer breiten, weniger sachkundigen Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bedarf es neben der schier endlosen Fülle von geschichtlichen Fakten und Einordnungen, der richtigen Sprache die geeignet ist, den interessierten Leser zu erreichen und zu fesseln, um immer wieder diese Neugierde zu wecken, die es schafft auch noch so komplexe Zeitgeschehen zu verstehen und miteinander zu verbinden. Dies ist dem Autor bestens gelungen und wenn das eine oder andere nach der Lektüre dieses Buches auch wieder aus dem Bewusstsein verloren geht, nach aufmerksamen Lesen und Gebrauch der umfangreichen Zeittafel, der Dramatis Personae, dem Glossar, der Bibliographie, den Anmerkungen und dem Verzeichnis der Karten besitzt man doch einen fundierten Überblick über die Geschichte des Islam von seinen Anfängen bis zu den Tagen eines ausgedehnten arabischen Weltreiches unter der Ägide der islamischen Religion.
Es war keineswegs abzusehen, dass um die Wende vom 6. zum 7. Jahrhundert die Araber eine weltgeschichtliche Revolution herbeiführen sollten. Alles begann mit dem Propheten Mohammed und den Kalifen, ihrem politischen Wirken und schließlich mit der Gründung Bagdads im Jahre 762. Tom Holland analysiert die geistig-politischen Umwälzungen jener Zeit in der Region und die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Großmächten der damaligen Zeit. Zugleich spürt er den tiefer liegenden Gründen nach, warum und wie Mohammeds Offenbarungen in einem abgelegenen Winkel der damaligen Welt und seine unbedingte Forderung nach Unterwerfung unter Allah der menschlichen Zivilisation ein neues Gesicht gaben. Im Gegensatz zu Jesu Christus, dessen Leben durch die Evangelisten nur vergleichsweise unzuverlässig überliefert wurde, weiß man über das Leben Mohammeds mehr oder weniger fast alles. Bekannt sind seine genauen Lebensumstände, seine Vermögensverhältnisse und seine Liebesbeziehungen. Zudem ist auch recht viel bekannt über die damaligen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Alles hat enorme Bedeutung um zu verstehen, warum der Islam sich auf solch rasante Weise verbreiten konnte. Welche Bedeutung dabei der allmähliche Untergang des Römischen Reiches gespielt hat und welche Rolle das bereits lange bestehende Judentum und die aufstrebende christliche Gemeinde gespielt hat und welche Rolle das Persische Reich dabei einnahm, alles wird hier profunde geschichtlich nachvollzogen. Trotz aller wissenschaftlicher Gelehrtheit bleibt es doch ein Mysterium, warum der Islam so erfolgreich agieren konnte, um sich auf der ganzen Welt zu etablieren.
"Mohammed" von Tom Holland ist keineswegs ein Buch, das für Wissenschaftler geschrieben worden ist. Ganz im Gegenteil, es vermittelt Wissen auf verständliche und anregende Weise, um verstehen zu lernen, was es mit dem Islam auf sich hat, um die Hintergründe zu erfahren, warum und wie eine neue Welt-Religion entstanden ist und auf welcher intellektuellen Basis sie agiert. Ein solches Wissen erleichtert den Zugang zu den Menschen und ihren religiösen Anschauungen, die durch das politische Chaos nach Europa geflüchtet sind. Zugleich erweitert das Werk den Horizont des Lesers und gibt die Chance diesen Menschen tolerant auf Augenhöhe zu begegnen, denn der Islam ist eine Religion mit positiven intellektuellen Wurzeln und hat nichts mit der politischen Abartigkeit zu tun, die sich zuletzt durch den "IS" gezeigt hat.
Maximal empfehlenswert.