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Rezension: Schokolade macht schlau und andere Medizinmythen- Stiftung Warentest

Dieses Buch ist eine Publikation von Stiftung Warentest. Die Stiftung wurde 1964 auf Beschluss des Deutschen Bundestages gegründet, um dem Verbraucher durch vergleichende Tests von Waren und Dienstleistungen eine unabhängige und objektive Unterstützung zu bieten. Autoren des vorliegenden Buches sind Dr. Marleen Finloust und Prof. Dr. Patrik Vankrunkelsven. 

Thematisiert werden wissenschaftliche Studien, die die Grundlage für die sogenannte evidenzbasierte Medizin darstellen. Gemeint ist damit eine Heilkunde, die sich auf wissenschaftliche Belege stützt. Leider werden Befunde solcher Studien in den Medien oft übertrieben dargestellt. Dabei sollte man sich bewusst machen, dass ungenaue oder falsche Grundinformationen weitreichende Folgen haben können: Genannt werden: unnötige Ängste, überflüssige Behandlungen und Geldverschwendung. 

Das belgische Zentrum für Evidenzbasierte Medizin (Centrum voor Evidence-Based Medicine, CEBAM) hat die Studien, die in diesem Buch  zur Sprache gebracht werden, auf ihren Wahrheitsgehalt hin analysiert und bewertet. 

CEBAM und Stiftung Warentest greifen Medienberichte auf, tragen Studien und Fakten zusammen und relativieren durch ihre Untersuchungen übertriebene Hoffnungen und überzogene Ängste. 

Leider ist es unmöglich im Rahmen der Rezension auf  die vielen interessanten Untersuchungen näher einzugehen. Soviel nur: Zunächst liest man jeweils in kurzen Sätzen, was in den Medien über eine bestimmte Untersuchung geschrieben wird. Dann  nehmen die Autoren den Ball auf und  fragen  beispielsweise "Ist Rosmarin gut fürs Gedächtnis?" Anschließend erfährt man Näheres über die besagte Untersuchung und zum Schluss dann wird die eigentlich gute Nachricht präsentiert. 

Was z.B. tatsächlich stimmt, ist, dass Fettzellen unter Einfluss von Stress zu Vermehrung neigen und Menschen, die anderen helfen und für sie sorgen,  mental und physisch länger fit bleiben. 

Interessant auch ist, was man über ein möglich erhöhtes Demenzrisiko durch das Wohnen an einer befahrenen Straße herausgefunden hat und ob Pillen gegen Haarausfall tatsächlich Potenzprobleme verursachen können. 

Eine gute Nachricht einer schwedischen Forschergruppe besagt, dass körperlich fitte Frauen über 50 ein um 88 Prozent geringeres Demenzrisiko haben. Auch wenn die Autoren hier -  wie bei allen anderen Untersuchungen-   ihre Bedenken anmelden, meine ich, dass der Versuch fit zu bleiben,  ganz gewiss nicht schaden und der Glaube  bekanntermaßen Berge versetzen  kann. 

Empfehlenswert.

Helga  König
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Schokolade macht schlau und andere Medizinmythen: Gesundheits- und Ernährungsmythen auf dem Prüfstand I Von Stiftung Warentest

Rezension: Petticoat, Dauerwelle, Schulterpolster- Prestel

Die Zeitschrift freundin feiert ihr 70 jähriges Jubiläum. Der vorliegende Bildband nimmt seine Leser (m/w) und Betrachter (m/w) mit auf eine Zeitreise durch diese Zeitschrift in die sieben vergangenen Jahrzehnte. 

Neben vielen Fotos und Textbeiträgen aus alten Ausgaben der freundin kann man zudem Texte von Guido Maria Kretschmer, Judith Williams, Judit Milberg, Peter Praschl und freundin-Chefredakteur Nikolaus Albrecht durch das deutsche Frauenleben lesen. 

Wie Guido Maria Kretschmer bemerkt, sind schöne Handschuhe in den letzten Jahrzehnten nahezu völlig verschwunden. Er vermutet, dass es daran liegt, dass sie etwas Distanziertes haben. Auch Hüte haben heute keinen hohen Stellenwert mehr. Mag vieles, was als elegant und modisch galt, dem Zeitgeist zum Opfer gefallen sein, so ist eines aber geblieben: "die Sehnsucht der Menschen, gut angezogen zu sein."

Aufnahmen aus dem Jahre 1959 zeigen sehr bunte Kleider, unter denen man offenbar die damals hochmodernen Petticoats trug. 1965 dann waren geometrische Muster à la Mondrian angesagt und 1976 schließlich die bunten Overalls. Der Zeitgeist hatte sich eindeutig in eine ganz neue Richtung bewegt und die Modeschöpfer interpretierten ihn auf ihre Weise. 

Man lernt Bademoden aus längst vergessenen Zeiten kennen, auch Handtaschen und Schuhe und freut sich, als in den frühen 1990er Jahren, die Frauen ihren Körper zu modulieren begannen. Jetzt war Bodystyling angesagt. 

Die Bräute aus den frühen 1970ern wirkten in ihren romantischen, weißen  Kleidern rückwärtsgewandt, ganz anders 2012, wo die Bräute augenscheinlich ein Standing haben, wie man sich dies im letzten Jahrhundert hätte nicht träumen lassen. 

Dann darf man sich an die Seidenblusen erinnern, die man 1991 trug. Sie sahen toll zu hautengen Jeans aus. Schade, dass diese Mode dem Gestern angehört.

Im Kapitel "Beauty" lernt man Frisuren aus anderen Zeiten, lernt Utensilien für schöne Haare kennen, liest Wissenswertes über "Sieben Tage für die Schönheit" aus dem Jahre 1960 und  "Vorher-Nachher-Verblüffende Verwandlungen"  durch ein anderes Haarstyling aus dem Jahre 1994. 

Auch über "Food" wird berichtet. Ein Buffet aus dem Jahre 1964 lernt man kennen, das heute befremdlich wirkt und die Speisen aus dem Jahre 1960 gar, liegen jenseits der Grenzen des heute Vorstellbaren. Selbstgemachtes scheint gleichbleibend "in" zu sein, aber es hat heute ein anderes Niveau. Vor allem ist es viel raffinierter. 

Erinnert wird an die Phase, wo alles in Aspik gehüllt wurde und an Zeiten, wo ein "Baskischer Eintopf" als akzeptables Essen für Freunde galt, das die Gastgeberin als  weltoffen outete.

Genuss hat sich entschieden verändert.

Wohnen und Reisen ist ein weiteres Thema. Man fällt tot um, wenn man sich Schrankwände betrachtet, hergestellt in den 1960er Jahren. 

Reisen nach Venedig aus dem Jahre 1956 waren schon luxuriös, gemessen an dem Ferienleben im Freien in Zelten damals....

Lebensfragen werden in der Rubrik "Lieben und Leben" beantwortet. Auch liest man, welche Namen die begehrtesten für Neugeborene waren und dass eine Ehe im Schnitt derzeit 15 Jahre hält. 

1987 gab es einen Beitrag von Frauen, die an Computer arbeiten, damals noch ungewöhnlich, heute Gang und Gäbe...

Alles in allem ein gelungenes Buch, in dem man gerne blättert, wenn man über vergangene Zeiten und sich selbst ein bisschen lachen möchte. 

Empfehlenswert.

Helga König

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Petticoat, Dauerwelle, Schulterposter: Mit freundin auf Zeitreise

Rezension: Mitfühlen- Melanie Mühl- Hanser

Melanie Mühl ist Redakteurin im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Autorin schreibt in diesem Buch, wie sie im Untertitel schon andeutet, über eine wichtige Fähigkeit in unruhigen Zeiten.  Damit bezieht sie bereits Position und bewertet diese Fähigkeit wie auch die Zeiten, in denen wir Leben, in einer Weise, die neugierig macht, weiterzulesen.

Antisemitismus und Islamfeindlichkeit erstarken und der Populismus blüht, schreibt sie zu Recht und es ist auch wahr, dass das gesellschaftliche Klima kälter und der Ton aggressiver wird. "Im Netz tobt ein Shitstrom den nächsten".

Shitstorm ist tatsächlich zur Normalität geworden, nicht weil die Nerven blank liegen, sondern weil es immer mehr Menschen gibt, die den Schmerz der Angegriffenen nicht mehr mitfühlen können. Der Niedergang des Mitgefühls, so Melanie Mühl, die soziale Verrohung und der unversöhnlich polemische Ton, der allen in der Öffentlichkeit entgegenschlägt und uns alle betrifft, sollte dazu führen, dass wir diese Entwicklung besser zu begreifen lernen.

Mitgefühl könne es ohne Anstand nicht geben. Mitgefühl sei die Grundlage einer gelingenden sozialen Kultur. Mitgefühl kann man - dies die gute Nachricht- kultivieren, es sei denn man ist ein Psychopath, dann kann man es nicht. 

Die Autorin erläutert den Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl. Beide Begriffe werden oft in einem Atemzug genannt. Sie sind allerdings nicht miteinander identisch. Im Gegensatz zum nur empathischen Menschen, möchte der mitfühlende handeln.

Die Autorin zitiert Paul Bloom, der den Unterschied wie folgt ausdrückt: "Empathie heißt, ich fühle das, was ein anderer Mensch fühlt, Mitgefühl bedeutet, ich kümmere mich um den anderen, ich sorge für ihn."

Melanie Mühl erwähnt viele kluge Autoren und bezieht sich in ihren Reflektionen zum Thema Mitgefühl  immer auch auf diese. So kommt  u.a. Hans Magnus Enzensberger zur Sprache und  auch die von mir sehr geschätzte Susan Sontag, deren Essay "Die Leiden anderer betrachten" ich vor einigen Jahren rezensiert habe und den Frau Mühl nicht grundlos erwähnt.

Die Theorie des "Homo oeconomicus"- auch sie bleibt nicht ausgeklammert, wonach der Mensch nur darauf abzielt, stets seinen Nutzen durch sein Tun zu erhöhen, gilt als veraltet, weiß die Autorin und wirbt überzeugend in ihrem abwägend, lobenswert eloquenten Buch für die tatkräftige Eigenschaft des Mitfühlens, durch die viel Gutes bewegt werden kann.

Durch Mitgefühlstrainig schafft man es, die Basiskompetenzen zu schulen, die jeder braucht, um eine verantwortlicher, toleranter Weltbürger zu werden. Ein solches Mitgefühlstraining an Schulen zum Pflichfach zu machen, wäre eine sinnstiftende Maßnahme für einen kultivierteren Umgang miteinander.Warum nicht jetzt damit beginnen? Morgen könnte es schon zu spät sein, wie Anstieg des Rassismus und Antisemitismus in diesem Land deutlich machen.  Morgen könnte 1933 sein und was dann?

Sehr empfehlenswert

Helga König

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Mitfühlen: Über eine wichtige Fähigkeit in unruhigen Zeiten