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Rezensionen:Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten (Gebundene Ausgabe)


Das vorliegende Buch des Autors, Regisseurs und Produzenten zahlreicher Dokumentarfilme und Fernsehreihen Gero von Böhm enthält Interviews, die er im Laufe von drei Jahrzehnten mit namhaften Persönlichkeiten gemacht hat.


Für mich, die ich auf meiner Internetplattform seit Anfang letzten Jahres ebenfalls Interviews realisiere, war es ein großes Vergnügen, am Erfahrungsschatz Herrn von Böhms teilhaben und von ihm das ein oder andere lernen zu können.


Bevor ich mich in die Gespräche vertieft habe, las ich zunächst die Kurzbiografien der Interviewpartner zu Ende des Buches und entschied mich dazu, zuallererst Interviews der Personen zu lesen, die mich vorrangig neugierig machten.

Bei diesen Personen handelte es sich um Georg Baselitz, Klaus Maria Brandauer, Hubert Burda, Marion Gräfin Dönhoff, Sebastian Haffner, Alfred Herrhausen, Karl Lagerfeld, Golo Mann, Reinhold Messner, Armin Mueller-Stahl, Helmut Newton, Gregor von Rezzori, Maximilian Schell, Volker Schlöndorff, Wolfram Siebeck, Susan Sontag, Margarethe von Trotta, Ulrich Tukur und Sir Peter Ustinov.

Herr von Böhm hat vor jedes Interview kurze Tagebucheintragungen gesetzt, in denen er seine damaligen Eindrücke und Gedanken im Hinblick auf den jeweiligen Gesprächspartner wiedergibt. Damit Sie wissen, was Sie diesbezüglich erwartet, zitiere ich den Eindruck von Böhms vom 28. November 1989 im Blick auf den von mir hochgeschätzten, im besagten Jahr ermordeten Bankmanager und Vorstandssprecher Alfred Herrhausen. Mit diesem Interview habe ich übrigens die Lektüre der Gespräche begonnen:

"Eintritt in den verspiegelten Deutsche-Bank-Turm, vorbei an Max Bills Granitskulptur "Kontinuität", die Lobby respekterheischend, kühl. Ganz anders oben, auf der Vorstandetage. Sehr freundlicher Empfang. Viel Kunst, junge Wilde, auch ein Beuys.Sein aufgeräumtes Vorstandzimmer. Herrhausen verschmilzt , aber nicht mit dieser Kulisse, ist ganz eigenständig, unabhängig, vollkommen bei sich. Offen und zugewandt, aber auch sehr überlegt. Beeindruckend seine Visionen und Einstellungen. Hoffentlich kann er sich noch lange im Spiegelturm halten." (Zitat S.219)

Gero von Böhm beweist bei dem dann folgenden und allen weiteren Interviews, dass er gut vorbereitet ist, sich seinen Gesprächspartnern einfühlsam zu nähern und auf deren Denken und Persönlichkeit einzugehen weiß. Er nimmt sich völlig zurück, stellt durchaus auch kritische Fragen, hält stets das Niveau und entlockt dem Gesprächspartner viele Informationen, ohne dabei die Contenance zu verletzen.

Im Gespräch mit Alfred Herrhausen gelingt es ihm, die vielen Facetten dieses hoch intellektuellen Mannes auszuloten, der ein erklärter Anhänger des kritischen Rationalismus von Karl Popper war und in diesem Interview, das im Jahre seiner Ermordung stattfand, auf Gero von Böhms Fragen "Wovor haben Sie Angst? Kennen Sie dieses Gefühl" antwortete "Als Gefühl des persönlichen Erschreckens nicht, mehr als Gefühl einer Sorge um langfristige Entwicklungen. Es ist vielleicht keine Angst, es ist Problembewusstsein, das Bewusstsein, das bei allem guten Willen oder manchmal vielleicht sogar wegen des guten Willens die Menschen zu ungeduldig sind und zu wenig gründliche Analyse an den Tag legen und Begriffe falsch interpretieren und damit zu falschen Schlussfolgerungen kommen." (Zitat: S. 238)

Wie Recht Herrhausen doch hat. Vorurteile waren es, die schließlich dazu führten, dass er ermordet wurde. Zu wenig gründliche Analysen und falsche Schlussfolgerungen sind die Ursachen vieler Meinungsverschiedenheiten, der meisten Auseinandersetzungen und des meisten Haders. Was bleibt zu lernen? Wir müssen uns um Transparenz in unseren Aussagen bemühen, gut zuhören und immer wieder nachfragen.

Herr von Böhm ist ein Meister des Nachfragens und verhilft durch die Interviews zum Abbau von Vorurteilen, weil er Persönlichkeiten mit vielen ihrer Persönlichkeitsfacetten zeigt und dadurch wegführt vom Schwarz-Weiß-Denken.

Wie fast jeder Mensch liebe ich es, wenn Menschen ehrlich sind. Insofern auch war mir Helmut Newton, dessen Bilder ich wegen ihrer Offenheit schätze, immer sehr sympathisch.

Gero von Böhm fragte ihn u.a.: "Wie oft hast Du Deine Seele verkauft?" Newton antwortet darauf: "Sehr oft, wie eine Hure. Ich brauchte Geld, ich war arm. Und dann kommt ein Moment, Gott sei Dank, da hat man das, was die Amerikaner "fuck -you-money" nennen, Geld auf der Bank. Und dann kann man sagen: "Dein Gesicht gefällt mir nicht, deine Art gefällt mir nicht". Das ist natürlich sehr wichtig und sehr schön, wenn man da ankommt, an diesem Punkt. Also ich liebe Geld, ich finde es wunderbar. Unter anderem aus diesem Grund. Und weil man tolle Autors kaufen und First Class fliegen kann. Das muss ich schon zugeben." (Zitat: Seite 342).

Als Gero von Böhm ihn zum Schluss fragt, ob er häufiger an den Tod denke, sagt Newton etwas, das ich selbst genau so sehe: "Der Tod ist etwas Negatives, ich verweigere mich solchen Gedanken. Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, ich will sie nutzen, positive Sachen zu machen und an Schönes denken." (Zitat: S. 343).

An Gero von Böhm Interviews gefällt mir am meisten, dass er es schafft, in den Innenraum seiner Gesprächspartner einzutauchen, dass die Personen sich gerne öffnen, gerne preisgeben, was sie ansonsten vielleicht zu schützen suchen. Dies hängt meines Erachtens damit zusammen, dass von Böhm in der Lage ist, Gefühle von Respekt, Toleranz und Akzeptanz glaubhaft zu vermitteln, ohne die  gute Dialoge nicht stattfinden können.

Ein Buch, das ich gerne empfehle.

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