Ulrich Wickert besonders vorzustellen, heißt eigentlich "Eulen nach Athen tragen". Und doch ist es eine Hommage an ihn, seine journalistische und schriftstellerische Tätigkeit noch einmal Revue passieren zu lassen, so wie sein neustes Buch: "Nie die Lust aus den Augen verlieren" es höchst interessant vermittelt. Wickert gilt noch heute, obwohl schon einige Jahre seiner beruflichen Tätigkeit als Moderator der Tagesthemen in der ARD passé sind, als der Journalist, den die Deutschen mit am meisten lieben und vertrauen. Dies liegt nicht allein an seiner entspannten, ruhigen und bisweilen ironischen Art, der weltläufige Journalist hatte zumeist ein gutes Näschen für aktuelle Themen in Politik und Kultur besessen, um dies seinen Zusehern und Zuhörern anschaulich zu vermitteln.
Ulrich Wickert ist Weltmann und als solches ist er prädestiniert die großen Zusammenhänge zu erkennen und sie aus seiner Warte aus zu erklären. Seine journalistischen Stationen haben ihn rund um den Globus gebracht, ob in die USA, nach China, Frankreich oder sonst wo hin. Als Sohn eines bekannten Diplomaten hat er das Kosmopolitische mit der Muttermilch eingesogen, und selbst im diplomatischen Dienst anzuheuern, schien vorprogrammiert. Sein Studium der Politischen Wissenschaften und der Juristerei in Bonn war da nur eine notwendige Zwischenstation, die ihm aber bewusst machte, dass die Neugierde und diese zu stillen sein eigentliches Ziel war. So landete er nach bestandenem Examen und auf der Suche nach einer bezahlten interessanten Tätigkeit beim WDR in Köln und als freier Mitarbeiter bei der Sendung "Monitor", dem Beginn seines Fernsehschaffens.
Publiziert hat Ulrich Wickert schon mit 14 Jahren, als er als Schüler in Paris einen Artikel über den Eiffelturm verfasste. Hier in Paris begann auch seine Liebe zu dieser Stadt, den Franzosen und Frankreich zu wachsen, die ihn nie mehr losgelassen hat. So kam es, dass in seinem Herzen zwei Lieben sich verbanden, zwei Kulturen ihn geprägt haben, die deutsche und die französische. Wir alle kennen seine wunderbaren Reportagen über das Leben in Frankreich, seien es die mondänen aus Paris oder an der Cote d´Azur oder die stillen, nachdenklichen vom Leben in der französischen Provinz und ihren liebenswerten Besonderheiten, wobei man zu erkennen glaubt, dass es gerade diese Erfahrungen sind, die ihn zu einem französisch-geprägten Deutschen gemacht haben. Welch wunderbare Symbiose, zumal er jeweils die besten Seiten dieser Kulturen lebt. So ist es nicht verwunderlich, dass er als Vermittler und Botschafter beider Nationen geliebt und anerkannt wird.
Die Franzosen schätzen besonders seinen Sinn für das "savoir vivre", sodass er für diese Intention von ihnen höchst dekoriert wurde, seine Aufnahme in der Gilde der allerbesten "Maitre fromager affineur" für französischen Käse zeugt davon und vieles anderes mehr. Die Deutschen hingegen schätzen sein kosmopolitisches Wissen, seine schriftstellerische Produktivität, die zu einigen Bestsellern geführt hat, aber auch seine entspannte Lockerheit, sein kühler Charme und seine angenehme Ausstrahlung, die nie anbiedernd, doch immer verbindlich ist. Die deutsch-französische Freundschaft ist sein Thema und er lebt sie bedingungslos. Wen wundern da, dass sich der frankophile Hanseat mit einer Bleibe auf den Hügeln in der Nähe von Vence oberhalb der Cote d´Azur geerdet hat.
Hier spürt er dem Zeitgeist nach, der die einfachen Franzosen so umtreibt. Die großen politischen Strömungen erfährt er von seinen vielen Freunden aus der Zeit als er Fernsehkorrespondent in Paris war oder auf offiziellen Einladungen der französischen Staatsspitze. Ulrich Wickert ist auch mit fünfundsiebzig ein überaus gefragter Mann, sei es in Talk-Shows, bei Symposien oder bei Staatsbesuchen französischer Präsidenten in Deutschland oder wenn der Bundespräsident oder die verschiedenen Kanzler oder die Kanzlerin in Paris zur Visite weilen. Wickert ist dann stets ein gern gesehener Gast, und es ist ihm immer ein Anliegen, seine Eindrücke aus der Sicht eines "Deutsch-Franzosen" zu vermitteln. Seine Leidenschaft für Kriminalromane hat er nicht alleine durch das Lesen befriedigt, nein er hat selbst welche geschrieben, gleich sechs davon, höchst erfolgreich, und alle handeln vom Pariser Untersuchungsrichter Jacques Ricou, einem Individualisten, Wickert nicht unähnlich.
In Wickerts neustem Buch "Nie die Lust aus den Augen verlieren", zeigt bereits der Titel, wie der Journalist tickt. Seine Maxime: Bei allem Verdruss des täglichen Lebens sollte man jedoch niemals die Lust am Leben in all seinen wunderbaren Facetten außer Acht lassen. Da sind die Franzosen den Deutschen bei weitem voraus, und doch ist die Erkenntnis "Leben und leben lassen" ein unverzichtbares Element in den Augen dieses erfahrenen Europäers. Dass dieser auch die Kehrseiten kennt und benennt, hat er in einigen sehr beachteten Sachbüchern thematisiert. Dabei liegt Ulrich Wickert Ethik und Moral, Gesetzestreue und Philosophie zutiefst am Herzen, seine intellektuellen Ausführungen in seinen Büchern zeugen davon. Das aktuelle Werk nun gibt einen wunderbaren Einblick in das facettenreiche Schaffen des Autors.
Episoden aus seinen Büchern werden verbunden mit bisher nicht veröffentlichten Erzählungen und Erlebtem aus seiner Zeit als Korrespondent an verschiedenen Orten. Interviews z.B. mit Politikern wie Richard von Weizäcker und Schriftsteller wie Günther Grass zeigen die Vielseitigkeit des Journalisten und auch ganz besondere Geschichten, wie etwa das Leben des deutschen Arztes, der zum Führungskader der chinesischen Volksversammlung avancierte, sind absolut lesenswert. Ganz besonders beeindruckend sind seine philosophischen Gedanken die im Buch einen breiten Raum einnehmen, immer auch in Anlehnung an seine früher verfassten Einlassungen.
So ist eine sehr beachtliche Bandbreite von Ullrich Wickerts Leben und seinem Denken hier entstanden, die zeigt, das bei aller Lust zum Leben die Tiefe des Denkens und der ethischen Besinnung nie zu kurz gekommen sind. Und da das Ganze im Buch nie belehrend und doch immer auch kurzweilig erzählt wird, ist es einfach nur spannend und anregend Ulrich Wickert zuzuhören.
Sehr empfehlenswert
Peter J. König
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