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Rezension: Rache ist eine Speise, die man kalt genießt (Gebundene Ausgabe)

"Jede Art von Rachsucht verletzt den innersten Kern unseres Selbst."(Karen Horney).
Katharina Maier thematisiert in diesem Buch das Phänom des Rache in der Geschichte und in der Literatur. In der Einleitung weist sie darauf hin, dass Rache ein uraltes, universelles Phänomen ist. Bereits in äyptischen, babylonischen und griechischen Mythen, auch im Gilgamesch-Epos und in der Bibel kommt Rache zur Sprache.


Anthropologisch betrachtet dient Rache zunächst der Abschreckung und ist am effektivsten, wenn man sie erst gar nicht ausführt, sondern damit droht. Rache gehört, so die Autorin, in den Bereich des "Gesetzes des Stärkeren" und ist demnach ein primitives Erbe aus der Urzeit, (vgl.:S.9).


Rache resultiert immer aus Unrechtsituationen, ansonsten wäre eine entsprechende Handlung "bloße" Aggression. Ein Akt der "Vergeltung" ist dann eine Negativhandlung, wenn dem Akteur zunächst ein Schaden zugefügt worden ist. Der Rächer ist insofern ein Reagierender. Es stellt sich dabei erst einmal nicht die Frage, ob jemand objektiv ein Unrecht begangen hat. Solange man subjektiv der Ansicht ist, dass ein Dritter einem etwas getan hat, was man nicht verdient, handelt man u.U. aus Rachegefühlen heraus. Wird man zum Rächer, war man zunächst Opfer.


Johannes Dornseiff schreibt in seiner Studie über "Recht und Rache", das "Wiederverletzenwollen" ein natürlicher Nachfolger des "Wiedergutgemachtsehenwollens" sei. Maier begründet in der Folge, weshalb Rache immer persönlich ist und weshalb man sie von unserem Gerechtigkeitsgefühl trennen muss.


Rache gehört zu den großen Themen, die die Menschen seit Beginn der Zeiten erzählen. Die Autorin zeigt dies, indem sie die Urspünge der Rache auslotet, von der Götterrache in der Bibel schreibt, auch den dort zu findenden Satz "Mein ist die Rache, ich werde vergelten" und die vielen Rachegeschichten "des Buches der Bücher" in ihre Überlegungen einfließen lässt. Rache war im Alten Testament übrigens streng reglementiert, aber durchaus Gesetz.


Maier zeigt die Heldenrache vor den Toren Trojas auf, thematisiert u.a. den Mythos von "Orestes und Elektra", fokussiert auch die Fehdengesellschaft im Mittelalter und vergisst in diesem Zusammenhang nicht das "Nibelungenlied" zu erwähnen. Die diesbezüglichen Ausführungen habe ich mit großem Interesse gelesen. Krimhild sei nicht nur die Inkarnation anarchischer Rache, sondern auch die Manifestation kriegerischer Weiblichkeit, (vgl.S. 98). So sehe ich das auch. Ich zitiere Maiers bemerkenswertes Fazit:" Am Ende steht der Versuch der Ausmerzung des Kriegerisch-Weiblichen. Durch den Tod der Über-Rächerin Krimhilde mag es vordergründig gelingen. Doch ihr alleiniger Akt hat die patriachalische Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert und es ist dieser Eindruck, das Bild der machtvollen, schwertschwingenden Krimhilde, das dem Leser bleibt." Genau so ist es.


Maier befasst sich ausführlich mit dem Thema Rache und Christentum, den Ehrenstücken und Rachetragödien der Renaissance und des Barock. Shakespeare Rachetragödien analysiert die Autorin ebenso ausführlich, wie die idealistischen Rachedramen von Goethe und Schiller. Heinrich Kleists "Michael Kohlhaas" hat die Autorin ein ganzes Kapitel gewidmet. Ihre Interpretation ist gelungen. Ich empfehle jedem, der sich mit Kohlhaas befasst, die Seiten 178- 185 zu lesen und bei Seminararbeiten auch in Fußnoten aufzuführen.


Wer von Rache spricht, muss freilich auch vom "Grafen von Monte Christo" sprechen, dem Rachewerk Dumas, das die Geschichte eines großen Unrechtes erzählt. Die Autorin macht deutlich, weshalb diesem Roman ein romantischer Gedanke inne wohnt. Dumas suggeriert nämlich, dass es allein von der Charakterstärke eines Individuums abhängt, ob eine gerechte persönliche Rache zur Katastrophe führt oder nicht, (vgl.: S. 195).


Maier treibt ihre Rachanalyse bis in die heutige Zeit voran und konstatiert, dass es nichts bringt Racheimpulse und -fantasien einfach zu leugnen und zu unterdrücken. Sofern man sie gedanklich auslebt, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir es realiter tun.


Ein sehr spannend zu lesendes Buch, das ich gerne empfehle.

Das rezensierte Produkt ist überall im Handel erhältlich.

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